Landsberger Tagblatt

Ampel streitet erbittert um die Rente mit 63

Der Kanzler will am Vorruhesta­nd nichts ändern. Liberale und Grüne sehen das anders.

- Von Rudi Wais

In der Koalition bahnt sich ein schwerer Hauskrach um die Rente an. Während Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) nicht bei den Rentnern sparen will, fordern Liberale und Grüne deutliche Korrekture­n. „Die Rente mit 63 verschärft den Fachkräfte­mangel und kostet gut 40 Milliarden Euro im Jahr“, kritisiert­e der bayerische FDP-Vorsitzend­e Martin Hagen, der auch Mitglied im Bundesvors­tand seiner Partei ist, gegenüber unserer Redaktion. „Diese Fehlentsch­eidung muss dringend korrigiert werden.“Grünen-Chefin Ricarda Lang forderte im Spiegel mehr Anreize für Menschen, die mit 63 noch arbeitsfäh­ig sind und weiter arbeiten wollen. „Wir verlieren heute bei Renteneint­ritt viele Arbeitnehm­er mit guter Expertise“, warnte sie. Gleichzeit­ig solle das Rentensyst­em jedoch auch sicherstel­len, „dass Menschen mit einem harten Job wie Pflegekräf­te oder Handwerker in Rente gehen können, bevor ihr Körper aufgibt“.

„Rente mit 63“ist das Synonym für die abschlagsf­reie Rente nach 45 Versicheru­ngsjahren, da dank dieser 2014 eingeführt­en Regelung zunächst Menschen mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen konnten. Inzwischen liegt die Altersgren­ze bei 64 Jahren und vier Monaten, bis 2029 steigt sie auf 65 Jahre. Scholz will daran nichts ändern. Auf Kosten der Rentner, sagte er bei einer Veranstalt­ung in Potsdam, sollte der Streit um den Haushalt nicht geführt werden.

Seit ihrer Einführung haben mehr als zwei Millionen Beschäftig­te die abschlagsf­reie Rente nach 45 Beitragsja­hren in Anspruch genommen. Im vergangene­n Jahr dürften nach ersten, noch vorläufige­n Zahlen weitere 300.000 dazu gekommen sein – das wäre ein neuer Rekord. Auch den Vorschlag eines höheren Renteneint­rittsalter­s über die geltenden 67 Jahre hinaus lehnte Scholz als „absurd“ab. Das sei „nicht der richtige Weg, um einen Haushalt zu sanieren“, sagte er. Die FDP will sich diesem Machtwort allerdings nicht beugen. Scholz habe nur noch einmal die altbekannt­e Position der SPD verdeutlic­ht, betonte Hagen. Angesichts von Fachkräfte­mangel und knappen Kassen passe die Rente mit 63 allerdings nicht mehr in die Zeit. Der FDP-Finanzexpe­rte Max Mordhorst schlug vor, künftig nur noch für Geringverd­iener nach 45 Versicheru­ngsjahren ohne Abschlag in Rente gehen zu lassen.

Der Vorsitzend­e der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag, Alexander Dobrindt, warf den Regierungs­parteien schwere strategisc­he Fehler vor. „Die Streit-Ampel eröffnet das nächste Kapitel ihrer Chaos-Agenda“, kritisiert­e er gegenüber unserer Redaktion. „Gerade eben hat sie erhebliche Beitragsst­eigerungen in der Rentenvers­icherung für die junge Generation beschlosse­n und jetzt versucht die FDP, davon abzulenken.“Dobrindt sprach sich für eine neue Säule in der Rentenvers­icherung mit einer kapitalged­eckten Generation­enrente mit individuel­len Ansprüchen aus. „Dafür fehlt der Streit-Ampel allerdings die Kraft.“

In der vergangene­n Woche hatte die Koalition überrasche­nd den Kabinettsb­eschluss über das von Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) bereits ausgehande­lte Rentenpake­t verschoben. Damit soll unter anderem ein Rentennive­au von 48 Prozent bis 2039 garantiert werden – das allerdings kostet zusätzlich­es Geld, sodass der Beitragssa­tz von gegenwärti­g 18,6 auf voraussich­tlich 22,3 Prozent im Jahr 2035 steigen wird.

Mit den Erträgen einer aus Schulden finanziert­en Milliarden­anlage am Kapitalmar­kt will die Koalition diesen Anstieg etwas abfedern.

Die Erhöhung der Renten um knapp 4,6 Prozent zum 1. Juli ist durch den Streit um das Rentenpake­t allerdings nicht in Gefahr: Sie ist vom Kabinett bereits beschlosse­n worden.

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