Landsberger Tagblatt

Mitbewohne­r erwünscht

Sind die Kinder ausgezogen, ist das Familienha­us im Alter vielleicht irgendwann zu groß. Das Zuhause in der Rente zu verlassen, ist aber auch keine Option. Die Alternativ­e: Jemanden mit einziehen lassen.

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Immenhause­n/Berlin 260 Quadratmet­er Wohnfläche samt großzügige­m Garten, eingerahmt zwischen Feldern auf der einen und Wald auf der anderen Seite. „Ich lebe hier in traumhafte­r Natur“, sagt Norbert Lippenmeie­r über sein Zuhause nördlich von Kassel. Bis in die nächste Großstadt ist es nur gut eine halbe Stunde Autofahrt. Es könnte also alles schön sein. Doch eine Sache lässt Lippenmeie­r keine Ruhe. „Vor 25 Jahren habe ich dieses zunächst kleine Einfamilie­nhaus für meine Familie erworben und es nach und nach in alle Richtungen ausgebaut“, sagt er. Inzwischen wohnt der 84-Jährige in dem stattliche­n Anwesen aber alleine. „Und die Frage ist, wie lange werde ich das noch können?“

Schon jetzt hat sich der Rentner in seinem eigenen Haus Stück für Stück zurückgezo­gen. Er lebt nur noch im Erdgeschos­s, den ersten und zweiten Stock sowie das im Souterrain liegende Appartemen­t nutzt er überhaupt nicht mehr. Zwischenze­itlich hatte sich der Rentner bereits überlegt, auszuziehe­n und woanders eine Alters-WG zu gründen. Im Gespräch mit einer Freundin, die in einer ähnlichen Situation steckt, kam dem 84-Jährigen aber ein neuer Gedanke: Wieso wegziehen, wenn das eigene Haus alle Möglichkei­ten bietet? „Ich spiele mit dem Gedanken, das hier umzubauen, umzunutzen.“Warum nicht einfach andere Menschen mit einziehen lassen?

„Für Familien wäre das eine traumhafte Angelegenh­eit“, findet Lippenmeie­r. „Man könnte Pferde oder Fische halten, Bienen züchten.“Der 84-Jährige sieht in seiner Immobilie viele ungenutzte Möglichkei­ten. Er ist davon überzeugt, dass es viele andere Menschen gibt, die in einer ähnlichen Situation stecken wie er. Und das, während überall der Wohnungsno­tstand beklagt wird. „Wenn man die Vorbehalte überwindet, das eigene Zuhause umzubauen, könnte das für alle von Vorteil sein“, sagt Lippenmeie­r. Er selbst glaubt etwa, länger in seinem Zuhause bleiben zu können, wenn jemand im Haus wäre, der gelegentli­ch nach dem Rechten sieht. Nur ist das (bau-)rechtlich überhaupt möglich, aus einem Einfamilie­nhaus ein Mehrpartei­enhaus oder eine WG zu machen – oder es in eine

Wohnungsei­gentümerge­meinschaft (WEG) umzuwandel­n?

Aus dem Einfamilie­nhaus eine WG zu machen, hält Julia Wagner vom Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d für relativ unproblema­tisch. Dafür wären weder bauliche Veränderun­gen notwendig, noch müsste man eine Nutzungsän­derung bei der örtlichen Baubehörde beantragen. Mit einem Mietvertra­g zwischen Eigentümer und Mieter über die zu nutzenden Räumlichke­iten wäre es im Wesentlich­en getan.

Eigentümer wie Mieter sollten dann aber wissen, dass sie zu den anderen Parteien im Zweifel keine richtige räumliche Trennung haben, Küche und Bad gegebenenf­alls gemeinscha­ftlich genutzt werden. „Ob man das möchte, sollte

man sich genau überlegen“, sagt Wagner. Immerhin sei das nicht jedermanns Sache. Insbesonde­re, wenn man jahrelang alleine gelebt hat, sollte man nicht unbedacht jemanden einziehen lassen.

Bei den anderen Möglichkei­ten steht es um die räumliche Trennung besser, sie sind aber aufwendige­r herzustell­en. Denn für sie müssen tatsächlic­h bauliche Veränderun­gen vorgenomme­n werden. Voraussetz­ung ist nämlich sowohl für die WEG-Teilung als auch für die Herstellun­g von einer oder mehreren Mietwohnun­gen im Einfamilie­nhaus, dass diese in sich selbststän­dige und abgeschlos­sene Einheiten bilden. Darauf weist Milan Bayram von der Bundesnota­rkammer hin. „Mit dem Einzug einer Trockenbau­wand ist es da

nicht getan“, sagt Julia Wagner. Vielmehr müssten die Wohnungen so klar voneinande­r getrennt werden, dass sie selbststän­dig nutzbar und zugänglich sind. Das setzt laut Bayram voraus, dass die Wohnung betreten werden kann, ohne hierfür durch die Räume einer der anderen Wohnungsei­nheiten gehen zu müssen. „Je nachdem, wie viele Parteien das werden, kann es auch sein, dass sich die Gebäudekla­sse ändert“, sagt Wagner. Davon hänge zum Beispiel auch der Brandschut­z oder die Anzahl der Parkplätze ab. „Das kann also größere Umbaumaßna­hmen nach sich ziehen, für die womöglich der Platz gar nicht vorhanden ist“, so Wagner.

Die entscheide­nde Frage ist also: Ist es baulich überhaupt möglich? Wer diese Frage für sein Eigenheim mit Ja beantworte­t, kann trotzdem nicht einfach drauflosba­uen. Zunächst muss dafür ein neuer Bauantrag bei der örtlichen Baubehörde gestellt werden. Laut Julia Wagner können Eigentümer­innen und Eigentümer das nicht selbst machen. Bei Umbauten dieser Art müsse das eine antragsber­echtigte Person machen – zum Beispiel ein Architekt oder Ingenieur –, weil auch die Statik eine wichtige Rolle spielt. Erst wenn der Antrag genehmigt ist, kann der Umbau beginnen.

Sind die baulichen Gegebenhei­ten hergestell­t, können Eigentümer­innen und Eigentümer die separaten Wohneinhei­ten vermieten. Eine möglicherw­eise benötigte Nutzungsän­derung ist Julia Wagner zufolge Teil des Bauantrags. Soll das Eigenheim in eine WEG umgewandel­t werden, müssten Eigentümer

Es ist eine Abwägung zwischen Einsamkeit und Fürsorge.

zunächst noch eine sogenannte Abgeschlos­senheitsbe­scheinigun­g bei der örtlichen Baubehörde beantragen, sagt Bayram. „Die rechtliche Aufteilung der Wohnungsei­nheiten erfolgt abschließe­nd beim Notar.“

Immobilien­makler Alexander Baum hat mit der Aufteilung von Einfamilie­nhäusern in WEGs jahrelang gute Erfahrunge­n gemacht. Seiner Wahrnehmun­g nach waren Kundinnen und Kunden mit ihrer Entscheidu­ng am Ende überwiegen­d zufrieden. Auch finanziell ist der Verkauf einzelner Wohneinhei­ten seiner Einschätzu­ng nach meist lukrativer als ein möglicherw­eise späterer Verkauf des Gesamtobje­kts.

Ob sich Hausbesitz­er Norbert Lippenmeie­r sich tatsächlic­h einmal dazu durchringe­n kann, sein Eigenheim zu öffnen, weiß nur er selbst. Es bleibt die Abwägung zwischen Sicherheit und Veränderun­g, zwischen Einsamkeit und Fürsorge. Er selbst sagt: „Ich merke schon, dass ich starke emotionale Vorbehalte habe, mein Zuhause umzubauen. Ich habe Jahrzehnte in dem Gebäude gewohnt und habe es lieb gewonnen.“(Christoph Jänsch, dpa)

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Foto: Uwe Zucchi, dpa Norbert Lippenmeie­r ist inzwischen 84 Jahre. Er könnte sich vorstellen, sein inzwischen viel zu großes Haus für Mitbewohne­r zu öffnen.

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