Die Postapokalypse im Benzinrausch
Die Fortsetzung dieses Spektakels hatte sich angekündigt. Regisseur George Miller liegt richtig, auf die Figur Furiosa zu setzen – findet aber leider keinen originellen Zugang. Eine Kritik zum Film „Furiosa: A Mad Max Saga“.
Vor neun Jahren setzte der australische Regie-Tausendsassa George Miller ein Relaunch seiner Mad-Max-Saga aufs Gleis, die 1979 mit Mel Gibson in der Titelrolle ihren postapokalyptischen Anfang genommen hatte. „Mad Max: Fury Road“war ein exzentrisches Wüstenspektakel, das seine rasanten Actionszenen in poetische Dimensionen katapultierte. Aber auch in diesem virtuos choreografierten Stunt-Gewitter gab es einen epischen Moment der Ruhe, als die von Charlize Theron verkörperte Furiosa erfährt, dass das Paradies ihrer Kindheit, aus dem sie als Mädchen gewaltsam entführt wurde, nicht mehr existiert. Schwankend geht sie hinaus in den Wüstensand, wirft ihre Armprothese von sich, kniet nieder und schickt einen quälenden Schrei in den Himmel.
Als tragische Heldin hat Therons Furiosa in „Mad Max: Fury Road“dem von Tom Hardy gespielten Titelhelden den Rang abgelaufen. Da erscheint es nur folgerichtig, dass diese Figur nun ein eigenes Prequel bekommt. „Furiosa: A Mad Max Saga“beginnt an jenem „Grünen Ort“, an dem sich eine matriarchale Community fernab aller postapokalyptischen Überlebenskämpfe ihr eigenes Reich errichtet hat. Die zehnjährige Furiosa (Alyla Browne) klettert
auf einen Pfirsichbaum, als sie im Wald fremde Eindringlinge entdeckt. Die schmuddeligen Biker, die das Mädchen kidnappen, gehören zum Clan des Dr. Dementus (Chris Hemsworth), der mit seinem Heer aus motorisierten Rockern in der australischen Wüste einen Eroberungsfeldzug anzettelt.
Als Teil der Waffenstillstandsverhandlungen wird Furiosa an Immortan Joe (Lachy Hulme) verkauft, der in seiner Zitadelle einen Harem zu Fortpflanzungszwecken unterhält. Aber dem Mädchen gelingt schon bald die Flucht. Als Junge getarnt arbeitet sie einige Jahre später in einer Werkstatt und lernt Praetorian Jack (Tom Burke)
kennen, der mit einem gepanzerten Truck die Lebensmittel- und Benzintransporte durch die Wüste übernimmt. Furiosa (nun gespielt von Anya Taylor-Joy) wird als Beifahrerin engagiert und hofft, bald zurück in ihre Heimat flüchten zu können.
Damit knüpft „Furiosa“nahtlos an den Vorgängerfilm an, kann aber bei Weitem nicht dessen cineastische Dynamik entwickeln. Natürlich mangelt es auch hier nicht an spektakulären Actionszenen, aber Miller findet für dieses Prequel keinen eigenen, originellen Zugang. Die Chance, das matriarchale Reich des „Grünen Ortes“als einen zentralen Handlungspunkt zu verankern, wird gleich zu Beginn zielstrebig vertan.
Außer ein paar grünen Blättern und zwei Pfirsichen bekommt man nichts zu sehen von jenem Sehnsuchtsort, der für die Titelheldin zum Antriebsmotor all ihrer Hoffnungen wird. Stattdessen stürzt sich Miller wieder in das Kriegsgeschehen rivalisierender Männerkollektive, das mit enervierender Brutalität in Szene gesetzt wird.
Anya Taylor-Joy ist brillant besetzt als einsame Überlebenskriegerin im postapokalyptischen Patriarchat. Aber ein paar Wortbeiträge mehr hätten der schweigsamen Heldin gut zu Gesicht gestanden. Derweil darf Chris Hemsworth als Dementus von einem Streitwagen in extenso die zynische Weltsicht seiner Figur erörtern und mit seiner Rockerbande die Motoren heulen lassen. Der Fetischisierung benzinbetriebener Kraftfahrzeuge, die die Mad-MaxSaga bestimmt, wird nun ins unfreiwillig Groteske überhöht, womit „Furiosa“zumindest als eine der letzten, kulturellen Zuckungen des fossilen Zeitalters in die Filmgeschichte eingehen könnte.