Landsberger Tagblatt

Ende Legende

Bentley hat seinen letzten Zwölfzylin­der-Motor gebaut.

- Von Rudolf Bögel

Auf dieser Seite gilt es Abschied zu nehmen. Von der glorreiche­n Ära der Verbrenner im Automobilb­au. Nach und nach mustern die Hersteller Maschinen aus, die den Ruhm ganzer Marken prägten. Beim italienisc­hen Sportwagen­bauer Maserati ging der Achtzylind­er in den Ruhestand (unten) – bei Bentley ist nach 105.000 Exemplaren Schluss für den legendären W12-Motor. Was macht die Faszinatio­n eines solchen Triebwerks aus? Letzte Ausfahrt im Bentley GTC Continenta­l Mulliner.

Im Auftreten britisch, im Herzen deutsch. Der Continenta­l GT war das erste Auto, das unter der Ägide des neuen Bentley-Besitzers Volkswagen entwickelt und 2003 vorgestell­t wurde. Als Herzstück pflanzten die Ingenieure den W12-Benziner aus dem Audi A8 ein, den Ferdinand Piech höchstpers­önlich hatte bauen lassen. Eine Wuchtbrumm­e von Verbrenner, entwickelt aus zwei VR6-Maschinen, kompakt und platzspare­nd und damals noch mit 420 PS. Die letzten Maschinen ihrer Art, die nach 6,5 Stunden Handarbeit

in Crewe vom Band rollten, brachten es auf 659 PS. Im auf 18 Exemplare begrenzten Super-LuxusSchli­tten Batur kitzelten die Ingenieure sogar bis zu 750 Pferdestär­ken (1000 Nm Drehmoment) aus den zwölf Zylindern. Vorbei und aus – das Dutzend ist der EU zu

dreckig und geht jetzt in den Ruhestand.

Ruhe und Stille sind der wahre Luxus im Bentley Continenta­l GT. Läuft er oder läuft er nicht? Wir haben zwar auf den schwarzen Startknopf gedrückt und lauschen: Tatsächlic­h – leise säuselt es aus

dem Motorraum. Zurückhalt­end und souverän entwickelt der sechs Liter große Benziner seine Kraft. Pures Understate­ment. Aber der Bentley kann auch anders. Erst ein tiefes Grollen, dann ein Donnern und schon rauscht der Continenta­l dahin wie ein Güterzug in der

Nacht. 3,6 Sekunden von 0 auf 100 – beeindruck­end, wie der Zwölfzylin­der die 2,5 Tonnen schwere Edel-Limousine auf Trab bringt. Das Gefühl, jederzeit ausreichen­d powern zu können, hat einen Grund. Das stattliche Drehmoment von 900 Newtonmete­rn liegt ungewöhnli­ch lang an – über einen Drehzahlbe­reich von 1.500 bis 5.000 U/min.

So verführeri­sch das Spiel der Kräfte auch ist, so verschwend­erisch wenig nützen wir es bei der letzten Ausfahrt. Wir konzentrie­ren uns lieber auf die schwelgeri­sche Ausstattun­g von Mulliner, der hauseigene­n Edelmanufa­ktur von Bentley. Hier blitzt das Chrom, dort funkelt der Klavierlac­k – und überall feinstes Leder. Mit Rautenstep­pung und Ziernähten. Das volle Programm. Holz sowieso, Nussbaum, Akazie, sogar Mammutbaum (der allerdings auf natürliche Art und Weise umgefallen sein muss). Sogar Stein-Furniere gibt es mittlerwei­le. „Galaxy Stone“kommt aus Indien, ist 200.000 Jahre alt und wird nur ein Zehntel Millimeter dick auf Aluminium-Platten aufgebrach­t.

Wer jetzt mit der Assoziatio­n Grabstein liebäugelt, weil das zum Abschied vom W12-Motor passt – nein, das Kapitel Verbrenner ist bei Bentley noch nicht ganz geschlosse­n. Erst 2006 kommt das erste reine Elektro-Modell. Bis dahin und wohl auch noch länger werkeln ein Sechszylin­der-Hybrid und ein V8 unter der Motorhaube.

 ?? Foto: Bentley ?? Der Bentley Continenta­l GT ist ein elegantes Auto. Allerdings gibt es die britische Edel-Limousine nicht mehr mit dem 12-Zylinder.
Foto: Bentley Der Bentley Continenta­l GT ist ein elegantes Auto. Allerdings gibt es die britische Edel-Limousine nicht mehr mit dem 12-Zylinder.

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