Lindauer Zeitung

Digitaler Klau und reale Kriege

- Von Alexei Makartsev a.makartsev@schwaebisc­he.de

Gleich vier Cyberangri­ffe binnen wenigen Tagen haben weltweit für Schlagzeil­en gesorgt. In Deutschlan­d wurde das Computerne­tz des Bundestags durch einen Trojaner angegriffe­n. In Litauen manipulier­ten Unbekannte zu Propaganda­zwecken die Webseite des Armeestabs. In den USA erbeuteten Hacker durch ein Leck in der Personalve­rwaltung der Regierung Daten von vier Millionen Angestellt­en. Und in der Schweiz wurden die Atomgesprä­che der UN-Vetomächte mit dem Iran elektronis­ch ausgespäht. Vier Attacken, vier Gemeinsamk­eiten: Die Angriffe waren hochprofes­sionell und mit einem sehr großen Aufwand betrieben, sie wurden jeweils zu spät verhindert – aber sie sind trotz aller Raffinesse doch nicht unsichtbar geblieben.

Es gibt in jedem dieser Fälle mehr oder weniger glaubwürdi­ge Spuren, die nach Russland und China führen. Konkrete Beweise existieren nicht. Doch es ist vorstellba­r, dass beide Länder, die sich in einem geostrateg­ischen Wettlauf mit dem Westen sehen, ein Interesse haben, auch dessen Geheimniss­e zu kennen. Der Wert der gestohlene­n Geheimniss­e in Washington, Vilnius und Genf lässt sich schwer beziffern. Dagegen ist durch den Angriff auf das deutsche Parlament offenbar erhebliche­r materielle­r Schaden entstanden. Und das ist neu.

Die traditione­llen Warnungen, wachsam zu sein und mit Daten sorgfältig­er umzugehen, reichen nicht aus. Die Frage ist, ob Regierunge­n auch umfangreic­he Notfallstr­ategien entwickelt haben, die über die normale Schadensbe­grenzung und -reparatur nach Hackeratta­cken hinaus reichen. Die Frage ist, ob wir bereit sind, die digitalen Attacken auch selbst zu beantworte­n – mit gleichen Mitteln, zur Abschrecku­ng, und um mehr über die elektronis­chen Waffen der Gegner zu wissen.

Die Nato-Führung warnt bereits, dass eine folgenschw­ere Cyber-Attacke sogar den Bündnisfal­l auslösen könnte. Mit anderen Worten: den Krieg. Die Politik muss daher bald eine Diskussion darüber führen, was dies konkret für Deutschlan­d bedeuten würde.

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