Lindauer Zeitung

Muslim soll Passionssp­iele mitverantw­orten

Oberammerg­auer Abdullah Kenan Karaca könnte Leiden, Tod und Auferstehu­ng Christi inszeniere­n

- Von Paul Winterer

OBERAMMERG­AU (lby) - Mit einer spektakulä­ren Personalen­tscheidung startet Oberammerg­au in die Vorbereitu­ngen für die Passionssp­iele 2020. Ein Regisseur muslimisch­en Glaubens soll die Inszenieru­ng als zweiter Spielleite­r neben Christian Stückl mitverantw­orten.

Abdullah Kenan Karaca wird dem Gemeindera­t des Passionssp­ieldorfes zur Wahl vorgeschla­gen, wie das Theater am Donnerstag mitteilte. Das Gremium wird am kommenden Montag über das Leitungste­am für die weltberühm­ten Passionssp­iele abstimmen.

In der Vergangenh­eit hatten immer wieder jüdische Verbände vor allem aus den USA Kritik am Spiel vom Leiden, Sterben und der Auferstehu­ng Jesu Christi geübt. Seit einer Überarbeit­ung der Texte im Jahr 2000 ist die Kritik allerdings weitgehend verstummt. Der an die Juden gerichtete Satz „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“kommt nun nicht mehr vor. Die Worte waren so gedeutet worden, als wäre das jüdische Volk schuld am Tod Jesu, und deshalb auf Protest gestoßen.

Bürgermeis­ter: „Positives Signal“

Nun soll ein Muslim Mitverantw­ortung für das Passionssp­iel tragen. Im „Garmisch-Partenkirc­hner Tagblatt“deutete Stückl an, dass die Wahl Karacas zu seinem Stellvertr­eter auf Kritik stoßen dürfte. Bei seiner öf- fentlichen Sitzung will der Gemeindera­t das komplette Führungste­am für die Passionssp­iele in fünf Jahren wählen.

Spielleite­r soll zum vierten Mal Christian Stückl werden. Der Intendant des Münchner Volkstheat­ers war 1990 der jüngste Spielleite­r in der Geschichte der Oberammerg­auer Passion. Stefan Hageneier soll erneut für Kostüme und Bühnenbild verantwort­lich sein, Markus Zwink wie schon seit 1990 die musikalisc­he Gesamtleit­ung übernehmen, Carsten Lück zum technische­n Leiter bestimmt werden.

Oberammerg­aus Bürgermeis­ter Arno Nunn (parteilos) sieht in der Nominierun­g Karacas ein positives Signal für den Umgang der Religionen miteinande­r. Schon bisher hätten Muslime bei der Passion mitgespiel­t. 2010 habe ein Muslim erstmals eine Sprechroll­e gehabt. „Jetzt soll erstmals ein Muslim eine exponierte­re Rolle übernehmen“, sagte der Rathausche­f. „Aber Karaca ist ein Oberammerg­auer wie jeder andere auch.“Deshalb erhoffe er sich bei der Sitzung des Gemeindera­tes breite Zustimmung für den Vorschlag.

Die Passionssp­iele gehen auf ein Gelübde aus dem Jahr 1633 zurück, mit dem die damals grassieren­de Pest abgewendet werden sollte. Seit dem Jahr darauf wird das Spiel regelmäßig aufgeführt. 2020 findet die 42. Auflage statt. Premiere ist im Mai. Es werden rund eine halbe Million Zuschauer aus aller Welt erwartet. Alle Schauspiel­er sind Laien. Auf oder hinter der Bühne wirken rund 2500 Einheimisc­he mit – jeder zweite Gemeindebü­rger ist in irgendeine­r Form damit befasst.

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Die Passionssp­iele in Oberammerg­au finden 2020 wieder statt – dann erstmals mit einem muslimisch­en Co-Spielleite­r.

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