Heiße Debatte um die Ehe für alle
Bundestag diskutiert einen Tag vor dem Bundesrat – Union ist gespalten
BERLIN - In einer teils leidenschaftlichen Debatte hat sich der Bundestag einen Tag vor der Abstimmung im Bundesrat mit der Ehe von gleichgeschlechtlichen Partnern befasst. Caren Lay (Linke), deren Fraktion die aktuelle Stunde beantragt hatte, appellierte an den Bundestag, die Abstimmung zu diesem Thema freizugeben. Es gebe eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag für die Homo-Ehe, der eine oder andere sogar aus der Union werde wohl auch zustimmen.
Sehr emotional forderten Caren Lay, aber auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, die Lebenspartnerschaften gleichzustellen. „Alles andere als Gleichstellung ist Diskriminierung“, sagte Hofreiter. Er warf der Union und der CDU-Parteivorsitzenden Angela Merkel vor, herumzudrucksen: „Die muffige Geisteshaltung passt nicht zu unserem offenen Land“.
Auch die Abgeordneten der SPD setzen sich dafür ein, der gesellschaftlichen Entwicklung nicht im Weg zu stehen, wie Johannes Kahrs meinte. Der Linke Harald Petzold forderte, die Abstimmung freizugeben oder eine Volksabstimmung zuzulassen.
In Kiew und Illertissen
Der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner aus Illertissen hat gerade am Wochenende in Kiew mit 250 Lesben und Schwulen demonstriert und ist vom rechten Block durch die Stadt gejagt worden. „Dass man noch so schnell laufen kann in meinem Alter, wunderte mich selbst.“Ihm gehe es um den Abbau von Vorurteilen, die es auch in Deutschland noch gebe. Er leide unter „der Penetranz von Leserbriefschreibern in unserer Region“, so Brunner.
Seiner Ansicht nach gebietet es der Anstand, die Ehe für alle zu öffnen und die Diskriminierung zu beenden. Früher habe es rosa Listen gegeben, heute heiße es Lebenspartnerschaften. Auch der Grüne Volker Beck appellierte, wer Schwulen und Lesben die gleichen Rechte ver- weigere, der verweigere ihnen auch die gleiche Würde.
Während die Linie der Opposition völlig einheitlich für eine Öffnung der Ehe war, kamen aus der Union sehr verschiedene Stimmen zu Wort. Zunächst Helmut Brandt, der vor einer „hysterischen Debatte“warnte und meinte, nur die klassische Ehe führe zur Fortpflanzung. Auf einen Zwischenruf, was denn dann mit der Kanzlerin sei, reagierte er empört: „Schämen Sie sich!“Sehr viel vorsichtiger äußerte sich Elisabeth Winckelmeier-Becker, die sich immer für eine steuerliche Gleichstellung der Lebensgemeinschaften stark gemacht hatte, die aber bei Adoptionsmög- lichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare Bauchschmerzen hat.
Stefan Kaufmann, der Stuttgarter CDU-Abgeordnete, der gerade eine Lebenspartnerschaft eingegangen ist, berichtete von anhaltenden Diskriminierungen. Es verletze ihn, wenn er Mails erhalte, die damit beginnen, man habe ja nichts gegen Schwule, aber das sei halt nicht normal. Er appellierte an den Bundestag, die Ehe werde nicht entwertet, sondern gestärkt, wenn auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten können. Es werde niemand etwas genommen.
Kaufmann macht sich für eine offene und sachliche Diskussion stark. Sein Fraktionskollege Alexander Hoffmann warnte dagegen: „Eine offene Gesellschaft zeichnet sich nicht durch oberflächliche Gleichmacherei aus.“Markus Weinberg (CDU) will die Diskussionen in der Union weiterführen, er ist stolz, dass man eine offene Debatte führe.
Debatte geht weiter
Im Bundesrat wird die Debatte schon an diesem Freitag weitergehen, wenn sich neun Länder, die von Rot, Grün oder Rot-Rot-Grün regiert werden, für die Gleichstellung der Homo-Ehe aussprechen. Der Gesetzentwurf soll zunächst in die Ausschüsse verweisen werden. Beschließt ihn später das Plenum des Bundesrats, muss sich auch der Bundestag damit befassen. Die SPD will jedoch nicht gegen den Koalitionspartner Union stimmen.