Lindauer Zeitung

Ein Phänomen namens BDS

- Von Inge Günther, Jerusalem

Zehn Jahre lang war das Phänomen BDS marginal. Abgesehen von pro-palästinen­sischen Studenteng­ruppen wusste kaum einer, was die Kampagne mit den drei Buchstaben, die für „Boykott, Divestment and Sanctions“stehen, bedeutet. Aufrufe, Israel mit Boykott, Sanktionen und dem Abzug von Investitio­nen Druck zu machen sowie die Besatzung zu beenden, wurden in Jerusaleme­r Regierungs­zirkeln ignoriert wie lästige Mücken.

Das hat sich, fast über Nacht, geändert. Auf einmal wird BDS als große lauernde Gefahr hingestell­t. Premier Benjamin Netanjahu nennt sie in einem Atemzug mit dem Iran. Um den Kampf gegen Boykottkam­pagnen aufzunehme­n, so Netanjahu, sei „eine breite Front“vonnöten. Sein Mäzen, der US-Kasino-Milliardär Sheldon Adelson, ließ sich nicht lange bitten. Zusammen mit Medienmogu­l Haim Saban lud er voriges Wochenende jüdisch-amerikanis­che Lobbyisten zur Konferenz in Las Vegas ein, um sich dem „Anti-Israel- Tsunami“namens BDS entgegenzu­stellen. Allzu viel fiel ihnen nicht ein. Auch mit teuren Werbefeldz­ügen lässt sich die jetzige israelisch­e Politik, weiter ungeniert Siedlungsb­au in den palästinen­sischen Gebieten zu betreiben, nur schwerlich verkaufen.

Aufmerksam­keit ist Werbung

Für die BDS-Anhänger indes ist all die Aufmerksam­keit an sich schon ein Geschenk. „Darauf haben wir gewartet“, meint Sergio Yahni vom linken Alternativ­en Informatio­nszentrum in Jerusalem zufrieden. „Adelson und Co. helfen uns, eine erfolgreic­he Bewegung zu werden.“Zwar ließ sich Pink-Floyd-Sänger Roger Walters schon vor Jahren einspannen, andere Popstars zu überreden, von Auftritten in Israel Abstand zu nehmen. Aber Israels HightechWi­rtschaft boomt trotz Boykottauf­rufen weiter. Die meisten BDS-Initiative­n liefen ins Leere. So stimmten der britische Studentenv­erband wie auch 29 studentisc­he Vereinigun­gen in USA dafür, akademisch­e Kontakte mit Israel zu kappen. Höhere Universitä­tsgremien legten Einspruch ein.

Die eigentlich­e Schwäche der BDS-Kampagne liegt in ihren ungenau definierte­n Zielen. Worauf will BDS hinaus? Auf eine Zwei-StaatenLös­ung oder einen arabisch-jüdischen Staat? Das wird offengelas­sen.

In Deutschlan­d hat BDS ohnehin keine Chance. Zu sehr erinnern Boykottauf­rufe an Naziparole­n wie „Kauft nicht bei Juden“. Dabei macht es politisch Sinn, Siedlererz­eugnisse aus dem Westjordan­land von Produkten „made in Israel“zu unterschei­den. Gemeint sind die Brüsseler Pläne für eine Kennzeichn­ungspflich­t für Exportgüte­r aus den besetzten Gebieten. Damit hätten auch europäisch­e Verbrauche­r die Wahl, zum Beispiel einen Wein aus dem israelisch­en Kernland dem Rebensaft aus „Judäa und Samaria“vorzuziehe­n. In dieser Woche jährt sich der Sechs-Tage-Krieg, in dem Israel Gaza, Westbank und den Golan eroberte, zum 48. Mal. Selbst viele Israelis wollen ihre Regierung spüren lassen, dass die Herrschaft über die Palästinen­ser kein Dauerzusta­nd sein kann. Auch wenn man mit BDS wenig zu tun haben möchte.

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Im Büro des Bundestags­abgeordnet­en ...

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