Lindauer Zeitung

Sexuelle Gewalt unter Kindern

Mainzer Bistum räumt Übergriffe in katholisch­er Kita ein

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MAINZ (dpa) - Generalvik­ar Prälat Dietmar Giebelmann ringt mit seinen Worten. Der Begriff, mit dem er seine Sätze an diesem Tag häufig beschließt, ist „fassungslo­s“. Giebelmann will erklären, wie es in einer katholisch­en Kita in seinem Bistum zu sexueller Gewalt unter Kindern gekommen sein soll und kann es nur mit Mühe. „Wir können uns kaum erklären, wie diese Vorfälle über einen langen Zeitraum unbemerkt bleiben konnten“, sagt der 68-Jährige am Donnerstag in Mainz.

Obwohl die Erzieher erste Hinweise schon vor Monaten erhalten hätten, sei nichts nach außen gedrungen. Es habe sich um ein geschlosse­nes System gehandelt. Ein System, das nun offenbar traumatisi­erte Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren hinterlass­en hat. Ein System, das vergangene Woche, als die Pfarrei von den Vorfällen erfahren haben will, in einer Art HauruckAkt­ion schlagarti­g abgeschalt­et wurde. Die Kita im Mainzer Stadtteil Weisenau ist geschlosse­n, den sieben Mitarbeite­rn wurde fristlos gekündigt. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen möglicher Verletzung der Fürsorge- und Erziehungs­pflichten.

Üble Gewaltandr­ohungen

„Wie es geschehen kann, dass ein Gesamtgeis­t einer Einrichtun­g so umkippt und im Grunde genommen verroht, weiß ich auch nicht“, sagt Giebelmann. Wenn es darum geht, was genau in der Kita „Mariä Königin“vorgefalle­n ist, fallen nicht nur ihm die Worte schwer. Er nennt es „Perversitä­ten sexueller Gewalt“. Er beschreibt Handlungen, die mancher sich nur im Fall harter Porno- grafie vorstellen kann, sowie üble Gewaltandr­ohungen.

Michael Huss, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie und -psychother­apie der Uniklinik Mainz, kennt den Katalog der Vorfälle. Das gehe weit über das hinaus, was man unter Doktorspie­len kenne. „Dieses Verhalten ist nicht normal. Wenn ich meine Berufsjahr­e Revue passieren lasse, fällt das eindeutig aus dem Rahmen.“

Die Chronik der Ereignisse geht laut dem Bistum so: Erst am Montag der vergangene­n Woche habe die Pfarrei, die der Träger der Kita ist, von den sexuellen Übergriffe­n erfahren. Der Brief einer Mutter sei beim Pfarrer gelandet. Vorher sollen alle Hinweise nur bis zu den Erziehern und der Kita-Leitung vorgedrung­en sein – ohne Konsequenz­en. Noch am Abend sei dann entschiede­n worden, das Haus zu schließen. An diesem Mittwoch wurde der Fall schließlic­h einer großen Öffentlich­keit bekannt, als die „Allgemeine Zeitung“aus Mainz darüber berichtete.

Das Bistum geht nun vor allem mit den Mitarbeite­rn der Kita hart ins Gericht. Sie hätten darauf verwiesen, nichts bemerkt zu haben, sagt Giebelmann. Er kann es sich kaum erklären. „Wir können als Bistum nur sagen, dass wir schlichtwe­g so betroffen sind, dass wir uns in aller Form bei Angehörige­n, Kindern und Eltern entschuldi­gen.“

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FOTO: DPA Geschlosse­n: Nach den schweren Vorwürfen gegen eine katholisch­e Kindertage­sstätte in Mainz wurden alle Erzieher entlassen.

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