Ich schwätz noch mit den Leuten
Die Zeiten sind hart. Ständig gibt es etwas zu maulen und zu meckern. Mal parkt ein Auto zu dicht am eigenen Heilix Blechle, dann wieder stört eine Hundehaufen auf dem Gehsteig. Der nächste regt sich wortwörtlich über den Dreck auf der Straße auf.
Nur gut, dass es Facebook gibt. Dort lässt es sich prächtig vom Leder ziehen. Über den Nachbarn, der zu oft grillt, die Nachbarin, die zu laut lacht. Auch ein störend abgestelltes Auto oder eine schlecht gestutzte Hecke landen an dieser virtuellen Klagemauer. Jedes Mal verbunden mit dem Hinweis, dass es früher so etwas nicht gegeben hätte und die Welt und das Abendland im Allgemeinen und Lindau im Besonderen quasi dem Untergang geweiht sind.
Auf die Idee, den Nachbarn vielleicht direkt anzusprechen oder einfach mal Gelassenheit und Toleranz walten zu lassen, kommen die wenigsten. Auf die Idee, dass man selbst auch mal blöd parkt, zu laut ist oder die Hecke nicht geschnitten hat, auch nicht. Den guten schwäbsichen Ratschlag, auch mal vor der eigenen Tür zu kehren, wollen die meisten nicht hören.
Als Ente sträubt sich mir da jedes Mal das Gefieder. Es geht aber auch anders. Zum Beispiel gestern im Straßencafé. Ich saß da mit Gisela, rund um unseren Tisch in weitem Bogen die Einkaufstaschen verteilt. Ein älterer Herr balancierte gekonnt im Slalom hindurch. „Geht das?“, fagte ich. „Aber sicher, lächelte der ältere Herr unter seinem Hut. „Ich gehöre noch zur alten Schule, ich rede dann schon mit den Leuten direkt. Ein guter Ratschlag, nicht nur für alle Facebook-Mauler: Schwätzt einfach miteinander.