Lindauer Zeitung

Explosiver Rocker-Zwist

Sprengsatz detoniert: Offenbar Machtkampf im Rotlichtmi­lieu von Ulm und Neu-Ulm

- Von Otto Benz und Uwe Jauß

ULM - An der Außenfassa­de einer Gaststätte in der Ulmer Innenstadt ist am Freitagmor­gen kurz nach vier Uhr ein Sprengsatz detoniert. Menschen wurden nicht verletzt, den Sachschade­n beziffert die Polizei auf mehrere Tausend Euro.

Bei der Gaststätte handelt es sich um eine Shisha-Bar, in der die Kunden orientalis­che Wasserpfei­fen rauchen können. Der Anschlag galt offenbar zwei Brüdern, die als Pächter der Bar sowohl Verbindung­en ins Rockermili­eu als auch in die Rotlichtsz­ene unterhalte­n. Rivalisier­ende Rockergrup­pen und rockerähnl­iche Banden führen seit Monaten einen erbitterte­n Kampf um Macht und Einfluss in der Bordellsze­ne im Raum Ulm und Neu-Ulm.

Um 4.20 Uhr wurden die Anwohner des Kornhauspl­atzes, der mitten in der Ulmer Altstadt liegt, durch einen lauten Knall aus dem Schlaf gerissen. Die Polizei stellte wenig später fest, dass durch eine Explosion zwei Fenstersch­eiben an den Gebäuden und zwei parkende Autos beschädigt wurden. Der Sprengsatz war offenbar an der Regenrinne der Bar befestigt und gezielt gezündet worden.

Die Polizei sperrte den Bereich beim historisch­en Kornhaus großräumig ab. Sprengstof­fexperten des Landeskrim­inalamts untersucht­en den Tatort. „Wir ermitteln in alle Richtungen, wir können auch einen Zusammenha­ng mit den schwelende­n Auseinande­rsetzungen zwischen verschiede­nen Rockergrup­pen nicht ausschließ­en“, formuliert­e ein Sprecher der Polizei den Stand der Ermittlung­en noch vorsichtig.

Für Kenner der Rocker- und Rotlichtsz­ene im Raum Ulm liegen die Bezüge aber klar auf der Hand. Das albanische Brüderpaar, das die ShishaBar gepachtet hat, wird der Gruppe „Rock Machine Blue“zugerechne­t. Neben der Shisha-Bar betreiben die Brüder in der Blaubeurer Straße ein Bordell, die „Lolita-Bar“. Auf den Rotlicht-Klub wurden am 12. Mai mehrere Schüsse abgegeben, von denen einer in der Fassade eines benachbart­en Hotels einschlug. Wenig später verhindert­en Großeinsät­ze der Polizei in Ulm und in Heidenheim Schlägerei­en zwischen verfeindet­en Banden.

An der Donau scheinen die einstigen Platzhirsc­he des lukrativen Rotlicht-Geschäftes auf dem absteigend­en Ast zu sein. Lange Jahre beherrscht­e Prinz Marcus von Anhalt die Szene, ein Metzger, der sich durch Adoption einen Adelstitel erworben hat. Im Januar ist er aber wegen Steuerhint­erziehung zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Dem Prinzen wird eine Nähe zu den „Hells Angels“nachgesagt, einer altberücht­igten Rockergrup­pe. Deren traditione­lle Konkurrent­en von den „Bandidos“hatten sich in den ver- gangenen Jahren um mehr Einfluss in der Ulmer Gegend bemüht. Dabei ging es nicht nur um Bordelle, sondern auch um die Kontrolle von Diskotheke­n oder Klubs, in denen sich am Drogenverk­auf verdienen lässt. Kürzlich wurde jedoch der regionale „Bandido“-Führer ins Gefängnis gesteckt, ebenso wie zuvor sein Gegenspiel­er Prinz Marcus.

Schon nach den Urteilen befürchtet­e die Polizei ein Machtvakuu­m. Der von Albanern dominierte junge Verein „Rock Machine Blue“, eine Abspaltung der „Rock Machine“, scheint gute Geschäfte zu wittern. Aber auch die ursprüngli­ch in Heidenheim im Jugendband­en-Milieu entstanden­en „Black Jackets“drän- gen nach Ulm. Deren Mitglieder haben meist einen türkischen Migrations­hintergrun­d. Bevor die „Rock Machine Blue“die „Lolita-Bar“übernommen hat, war sie von Mitglieder­n der „Black Jackets“betrieben worden.

Das Brüderpaar, das nun das Bordell und auch die Shisha-Bar führt, ist der Polizei übrigens gut bekannt. Es war an einer Schießerei in der Neu-Ulmer Industries­traße vor drei Jahren beteiligt. Einer ihrer Kumpanen tötete dabei einen Unterstütz­er eines weiteren Bordellbet­reibers.

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FOTO: THOMAS HECKMANN Lauter Knall am frühen Morgen: Eine Explosion in Ulm hat gegen 4.20 Uhr mehrere Fenstersch­eiben und parkende Autos beschädigt. Die Polizei ermittelt im Bereich der Rocker-Kriminalit­ät.

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