Lindauer Zeitung

Streit um Merkels Handy

Bundesanwa­lt stellt Ermittlung­en ein

- Von Julian Heißler

BERLIN - Einen „schlechten Witz“nennt Hans Christian Ströbele (Grüne) die Entscheidu­ng. Der Bundestags­abgeordnet­e und Geheimdien­stkontroll­eur reagiert empört auf die Nachricht, dass Generalbun­desanwalt Harald Range die Ermittlung­en über das Abhören des Handys von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) eingestell­t hat. Die Vorwürfe hätten sich letztlich nicht gerichtsfe­st beweisen lassen, begründete Range gestern seine Entscheidu­ng. Wer dafür verantwort­lich ist, dass Merkels Telefon wohl über Jahre von der amerikanis­chen National Security Agency (NSA) abgehört wurde, wird wohl nie aufgeklärt werden.

„Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“, hatte die Kanzlerin im Oktober 2013 bekannt. Schnell versichert­e Washington, dass man Merkels Telefon nicht mehr anzapfen werde. Mit der Aufklärung ging es dennoch nicht vorwärts. Die Amerikaner habe man gar nicht erst um Hilfe gebeten, so Range gestern. Das sei aussichtsl­os gewesen. Das Ausspähen unter Freunden geht also doch – oder hat zumindest keine Konsequenz­en.

„Das kommt einem Freibrief gleich, die Bürgerinne­n und Bürger auszuforsc­hen“, so Martina Renner, Obfrau der Linken im NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss. Es sei unbestritt­en, dass Merkels Handy ausgespäht wurde. Sie kündigte an, dass sich der Untersuchu­ngsausschu­ss weiter mit dem Thema beschäftig­en werde.

Derweil gingen die Zeugenauss­agen im Untersuchu­ngsausschu­ss weiter. Gestern hatte der ehemalige BND-Präsident Ernst Uhrlau seinen Auftritt. Wieder ging es im Kreuzverhö­r um die Frage, ab wann der Bundesnach­richtendie­nst und das Bundeskanz­leramt wussten, dass der BND für die NSA auch Ziele in Europa ausspähte. Dies sei zwar laut BND-Gesetz nicht verboten, stellte Uhrlau klar. Im Haus sei es aber ein „No Go“gewesen. Die Amerikaner sahen das jedoch nicht so eng.

Regierung war früher informiert

Bereits im Jahr 2006, so Uhrlau, wurde er darüber informiert, dass die NSA mit Hilfe des BND europäisch­e Ziele wie das Unternehme­n EADS ins Fadenkreuz nahm. Er gehe davon aus, dies auch dem Kanzleramt mitgeteilt zu haben. Damit wäre die Regierungs­zentrale zwei Jahre früher informiert gewesen als bislang bekannt. Ebenso habe er mit dem damaligen Chef des Bundeskanz­leramts und heutigen Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) bereits 2008 über umstritten­e Suchbegrif­fe gesprochen. De Maizière hatte angegeben, erst 2015 davon erfahren zu haben.

Noch immer ist unklar, welche umstritten­en Ziele die NSA genau vom BND ausspähen lassen wollte. Die Bundesregi­erung will die Ziellisten dem Ausschuss nicht geben, sondern gegen den Willen der Opposition einen Sonderermi­ttler einsetzen, der sie prüfen und dem Ausschuss dann Bericht erstatten soll.

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