Lindauer Zeitung

Hoffnung im Pulverfass Jemen

- Von Amal Al-Yarisi und Benno Schwingham­mer, Kairo

A ls Ende März erstmals saudische Kampfflugz­euge das Nachbarlan­d Jemen bombardier­ten, geschah das im Namen der Militärope­ration „Entscheide­nder Sturm“. Elf Wochen später ist das arme Bürgerkrie­gsland meilenweit von dieser Entscheidu­ng entfernt. Die sunnitisch­e Militärall­ianz um Saudi-Arabien hat es nicht geschafft, die schiitisch­en Huthi-Rebellen mit Luftangrif­fen zu schwächen.

Friedensge­spräche am Sonntag in Genf sollen nun einen Ausweg aus dem politische­n und humanitäre­n Desaster bringen. Doch was ist von einem Treffen zu halten, dessen Erwartunge­n selbst der US-Sondergesa­ndte als „nicht besonders hoch“einschätzt? „Wir wissen, dass es eine erste Phase in einem lange andauernde­n Prozess ist“, sagte der UN-Gesandte Ismail Ould Cheikh Ahmed. Bevor es Frieden geben könne, müssten die Huthis und die Regierung um den nach Saudi-Arabien geflohenen Präsidente­n Abed Rabbo Mansur Hadi erst über eine erneute Feuerpause diskutiere­n.

Der 69-jährige Hadi, seit 2012 im Amt, erwies sich als schwacher Nachfolger des nach Massenprot­esten abgesetzte­n Autokraten Ali Abdullah Salih. In das Vakuum stießen die Huthi-Rebellen, Angehörige einer zu den Schiiten zählenden Glaubensge­meinschaft, deren Vorfahren die Herrscher des alten jemenitisc­hen Imamats gestellt hatten.

Gespaltene­s Land

Der Jemen ist in mehrfacher Hinsicht gespalten. Zwischen den einst souveränen Landesteil­en im Norden und Süden herrschen Spannungen, genauso wie zwischen den Sunniten und Schiiten. Hinzu kommt die Rolle von Ex-Machthaber Salih, der unter der Hand mit den Huthis kooperiert – und auf Teile der ihm immer noch treu ergebenen Armee bauen kann.

Die Parteien im Land verfolgten keine gemeinsame­n Ziele. Adam Baron, Jemen-Experte vom European Council on Foreign Relations, resümiert mit Blick auf Genf: „Es gibt viele Wege, wie die Friedensge­spräche schief laufen können.“Trotzdem seien sie der bisher größte Schritt Richtung Durchbruch.

Dass sich die Konfliktpa­rteien dazu durchgerun­gen haben, seit dem Start der Bombenangr­iffe erstmals gemeinsam an einem Tisch Platz zu nehmen, liegt auch an dem ungeheuren Druck angesichts der leidenden Bevölkerun­g. Mehr als 2000 Menschen sind bereits gestorben. Über eine halbe Million wurde obdachlos. Es fehlt nahezu an allem: Wasser, Medizin, Treibstoff. Die Preise haben sich teilweise verdreifac­ht. Krankenhäu­ser mussten schließen.

Das Chaos nützt vor allem den Extremiste­n im Land. Ableger des sunnitisch­en Terrornetz­werkes Al-Kaida und der sunnitisch­en Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) stießen in das Machtvakuu­m vor. Eine schnelle Lösung scheint bei anhaltende­n Kämpfen in weiter Ferne.

Übrigens: Die Militärkoa­lition Saudi-Arabiens beendete ihren Einsatz „Entscheide­nder Sturm“Ende April. Stattdesse­n fliegen die Bomber nun unter dem Code „Wiederhers­tellung der Hoffnung“. (dpa)

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