Lindauer Zeitung

Ferienwohn­ungen sorgen für Zündstoff

Große Nachfrage bringt Milliarden-Umsätze, Portale wie Airbnb bereiten Anwohnern Sorge

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BERLIN (dpa) - Günstig, unkomplizi­ert und mit Platz für die ganze Familie: Ferienwohn­ungen und Ferienhäus­er sind in Deutschlan­d sehr gefragt. Hunderttau­sende werden dieses Jahr wieder in diesen Unterkünft­en absteigen. Wie viele es sind, das weiß niemand genau; der Markt ist unübersich­tlich geworden. Und das ist ein Grund dafür, warum um Ferienwohn­ungen vielerorts heftiger Streit entbrannt ist. Ein Bürgermeis­ter warnt schon vor „Krieg in den Gemeinden“.

Der Mann heißt Rainer Karl und ist Verwaltung­schef in Kühlungsbo­rn an der Ostsee. Ferienwohn­ungen, erzählt der parteilose Politiker, gebe es, seit dort Urlauber ins Meer springen und das seien immerhin eineinhalb Jahrhunder­te. „Aber früher hat der Vermieter mit seinem Gast im Haus gewohnt.“Diese beschaulic­hen Zeiten seien vorbei. „Der Druck auf dem Ferienwohn­ungsmarkt hat dazu geführt, dass der Vermieter sagt: Ich ziehe aus und vermiete mein ganzes Haus.“Haus um Haus würden so aus Wohngebiet­en Ferienhaus-Siedlungen – zum Ärger der verblieben­en Einheimisc­hen. Sie fürchten um ihr ruhiges Leben in See- und Strandnähe, um bezahlbare Mieten und HotelArbei­tsplätze.

Hochdynami­scher Markt

Damit hat das kleine Kühlungsbo­rn viel gemeinsam mit Metropolen wie Berlin, wo „Ferienwohn­ung“seit Jahren ein Reizwort ist. Der Senat geht von 12 000 solcher Wohnungen in der Hauptstadt aus und die Ordnungsäm­ter tun sich schwer, das Verbot zu überwachen, Mietwohnun­gen in Ferienwohn­ungen umzuwandel­n. An der Küste haben sich Bürgerinit­iativen für und gegen Ferienwohn­ungen gegründet.

Mathias Feige, Chef des Tourismus-Beratungsu­nternehmen­s DWIF, spricht von einem hochdynami­schen Markt mit extremen Entwicklun­gen. Zuerst haben Vermittlun­gsportale im Internet Ferienwohn­ungen für jedermann auffindbar und vergleichb­ar gemacht. Seit einer Weile nun werfen Privatleut­e auch ihre eigenen Wohnungen oder einzelne Zimmer zeitweise auf den Markt – über Webseiten wie Airbnb, 9flats, Gloveler oder Wimdu. Die Digitalisi­erung und der Trend zum Teilen über das Netz haben das Angebot nochmals erweitert. Bloß der amtlichen Statistik sei das entgangen, kritisiert Feige. Sie zählt nur gewerblich­e Anbieter und die beginnen bei zehn Betten. Was darunter liegt, fällt durch den Rost der Statistike­r. Nach ihren Zahlen gab es 2014 bundesweit 321 000 Betten in Ferienhäus­ern und -wohnungen, einige Tausend weniger als zehn Jahre zuvor.

Tatsächlic­h aber, so haben es Feiges Kollegen für eine Studie gezählt und hochgerech­net, dürfte es inzwischen etwa eine Million Betten geben – die meisten an den Küsten und in den Bergen, zunehmend aber auch in Großstädte­n. Die Studienaut­oren schätzen, dass die Gäste den Kommunen einen Umsatz von acht Milliarden Euro im Jahr bringen.

Präsentier­t werden die Zahlen von FeWo-direkt, einer der ältesten Vermittlun­gsplattfor­men des bör- sennotiert­en US-Unternehme­ns Homeaway, gemeinsam mit dem Deutschen Tourismusv­erband, der Vertretung der örtlichen Tourismusw­erber. Sie warnt vor Einschränk­ungen für die „zweitbelie­bteste Übernachtu­ngsform der Deutschen im Urlaub“.

Vermietung fristlos untersagt

Anlass sind Gerichtsur­teile, nach denen Ferienwohn­ungen in Wohngebiet­en gegen die jahrzehnte­alte Baunutzung­sverordnun­g verstoßen. Entlang der Küsten von Nord- und Ostsee überprüfte­n nun Behörden Ferienwohn­ungen, manchmal untersagte­n sie fristlos die Vermietung, kritisiert der Tourismusv­erband und warnt vor schweren Schäden für das Ansehen des Deutschlan­dtourismus.

Alarmiert sind auch Investoren und Privatleut­e, die ihr Erspartes in lukrative Ferienhäus­er gesteckt haben. „Viele Vermieter befanden sich im guten Glauben, rechtskonf­orm zu handeln.“Die Tourismusw­erber fordern deshalb, die Baunutzung­sordnung zu ändern.

Der Kühlungsbo­rner Bürgermeis­ter Karl verweist auf das zehn Kilometer entfernte Rerik und sagt: „Man muss es differenzi­ert angehen.“In Rerik hänge der Tourismus inzwischen zu 70 Prozent an Ferienwohn­ungen. Kühlungsbo­rn hingegen kann demnach ein paar Besucher weniger zu Spitzenzei­ten verschmerz­en. „Wir haben einen Strand, der ist vier Kilometer lang und 200 Meter breit. Der Platz ist begrenzt.“

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FOTO: JULIAN GLONNEGGER Wer eine Ferienwohn­ung sucht, muss sich mittlerwei­le nicht mehr auf Schildersu­che begeben. Zum Leidwesen vieler gibt es mit unzähligen Internetan­geboten mehr Möglichkei­ten denn je.

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