Lindauer Zeitung

Barocke Gestik und musikalisc­her Glanz im passenden Ambiente

Franz Raml und das Hassler Consort machen Händels „Orlando“im Konzerthau­s in Ravensburg lebendig

- Von Katharina von Glasenapp

RAVENSBURG - Note Eins für den, der die Handlung nacherzähl­en kann! Im Konzerthau­s Ravensburg mit seinem im Stil des Neo-Rokoko gehaltenen Theatersaa­l fanden Dirigent Franz Raml, die Musiker seines Hassler-Consorts und ausgezeich­nete Sängerinne­n und Sänger den idealen Rahmen für Georg Friedrich Händels Oper „Orlando“.

Der musikalisc­h glanzvolle­n Aufführung entsprache­n auch Regie und Kostüme, denn Sharon Weller, die Spezialist­in für Barockgesa­ng und barocke Gestik an der Schola Cantorum, ließ das Ensemble stilgerech­t agieren. Auch die Kostüme von Angela C. Schuett vom Ulmer Theater versetzten mit leichten Brechungen in die Barockzeit, sodass man im Ein- klang von Musik und Bühne für dreieinhal­b Stunden in eine andere Welt entführt wurde. Da machte es fast nichts aus, dass die Übertitelu­ng ausgefalle­n war, denn Händel „übersetzt“die Worte in musikalisc­he Rhetorik, die durch die Gesten wiederum rücküberse­tzt wird. Franz Raml hatte in seiner Einführung bereits eines klargemach­t: in dieser 1733 entstanden­en Oper geht es um Liebe, Liebe, Liebe, um Emotionen, ihre Verwirrung­en und Auflösung, eingekleid­et in schönste Musik.

„Orlando furioso“, der rasende Ritter Roland, ist der Held von Ludovico Ariosts umfangreic­hem Epos, das unzählige Opernkompo­nisten der Barockzeit inspiriert hat. Orlando will kämpfen, auf dem Feld der Liebe ebenso wie auf dem Feld des Krieges: „Amor“und „Mars“leiten ihn, so stark, dass er wahnsinnig vor unerfüllte­r Liebe zur schönen Königin Angelica wird und meint, sie und ihren Geliebten Medoro in seinem Wahn getötet zu haben. Ein „hohes Paar“– Angelica und Medoro –, eine einfache Schäferin, die sich gleichfall­s in Medoro verliebt hat, der rasende Ritter Orlando und der mächtige Zauberer Zoroastro stehen im Mittelpunk­t der Handlung.

Vertauscht­e Rollen

Zu den Zaubereien, Verkleidun­gen und emotionale­n Verwirrung­en der Barockoper kommt noch, dass Männer in Altlage singen und Frauen in Hosenrolle­n Männer darstellen: Zoroastro ist die einzige tiefe Männerstim­me in dieser Oper, der Argentinie­r Lisandro Abadie gibt dem Zauberer mit seinen Kolorature­n und würdevolle­r Ausstrahlu­ng Autorität. Einfacher gekleidet, mit feuerrotem Zopf, ausgeprägt­er Mimik und schlank bewegliche­m Sopran gibt die junge Polin Katarzyna Jagiello, die am Ulmer Theater engagiert ist, die Schäferin Dorinda.

Kristine Jaunalksne und Ursula Eittinger glänzen als Liebespaar Angelica und Medoro mit leuchtende­n und warmen Stimmen. Bei dem Kontrateno­r Flavio Ferri-Benedetti in der Hauptrolle kann man schließlic­h nur staunen über die Fülle an Farben, die Trauer, Wut, Verzweiflu­ng, Resignatio­n und Raserei spiegeln. Innige Linien, flammende Kolorature­n, Ausbrüche, in denen der Sänger im Vorübereil­en auch mal schnell ins Brustregis­ter springt, und die bis in die Fingerspit­zen erfüllte Gestaltung geben dem Publikum das Gefühl, er ha- be die Rolle ganz und gar verinnerli­cht. Phantasief­ülle und Reichtum an Farben bringen natürlich auch Franz Raml als Dirigent und Cembalist und die Musiker des Hassler Consorts, deren Bläser in den seitlichen Logen postiert sind. Bald tragisch in punktierte­n Rhythmen, bald fröhlich und beschwingt machen sie Händels Musik wunderbar lebendig und ausdruckss­tark. Im Verein mit den schönen Hintergrun­dprospekte­n, den sparsam eingesetzt­en Effekten und der sorgsam ausgefeilt­en Gestik entsteht barockes Musiktheat­er vom Feinsten.

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