Lindauer Zeitung

Das gewisse Etwas

Edeltechni­kerin Dzsenifer Marozsan ist beim 1:1 gegen Norwegen die „Spielerin des Spiels“

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OTTAWA (SID/dpa/sz) - Nach zwei pflichtgem­äß beantworte­ten Fragen wollte Dzsenifer Marozsan entspannt als Zuhörerin auf dem Podium neben Silvia Neid vor der schreibend­en Presse sitzen bleiben. „Du kannst ruhig bleiben. Aber es kann sein, dass du dann noch eine Frage gestellt bekommst“, warnte die Fußball-Bundestrai­nerin die „Spielerin des Spiels“. „Ach so!“, sagte die 23-Jährige erschrocke­n: „Dann gehe ich.“Sprach’s und stand grinsend auf.

Das Rampenlich­t abseits des Fußballpla­tzes ist nicht die Sache der Edeltechni­kerin, die nach ihrem überstürzt­en Abgang das Sonderlob von Neid für die Leistung beim 1:1 (1:0) im zweiten WM-Spiel gegen Norwegen verpasste. „Dzseni hat eine wahnsinnig gute erste Halbzeit gespielt“, sagte Neid: „Sie hat hervorrage­nd gegen den Ball gearbeitet und tolle Pässe im Angriff gespielt. Das war sehenswert. Erst in der zweiten Halbzeit ist sie dann etwas mit untergegan­gen.“

Statt auf ihrer Lieblingsp­osition im zentralen offensiven Mittelfeld zeigte die Frau mit der Rückennumm­er 10 neben Lena Goeßling ihre außergewöh­nlichen Qualitäten auf der Doppelsech­s. Als Taktgeberi­n verlieh Marozsan dem deutschen Spiel in der starken ersten Hälfte das gewisse Etwas, das bei einem Turnier den Unterschie­d machen kann. Einer ihrer Distanzsch­üsse war es, den Anja Mittag per Abstauber zum 1:0 (6.) nutzte.

Neid: „Das war teilweise grandios“

Lange hatte die in Budapest geborene Tochter des ehemaligen ungarische­n Nationalsp­ielers Janos Marozsan auf ihr erstes WM-Spiel warten müssen. Kurz vor der Heim-WM 2011 hatte die Spielerin des 1. FFC Frankfurt einen Innenbandr­iss im Knie erlitten. Nach dem wegen einer Verletzung am Sprunggele­nk verpassten WM-Auftakt 2015 gegen die Elfenbeink­üste wurde der Traum am Donnerstag wahr. „Ich war vor dem Spiel nervös, mehr als sonst“, gab sie zu. „Aber als das Spiel dann lief, war die Nervosität weg, und ich hatte viel Spaß.“

Ob schon bei Marozsans erster WM am Ende der Titelgewin­n steht? „Das war teilweise grandios gegen so einen starken Gegner wie Norwegen“, schwärmte Neid von der Leistung ihrer Spielerinn­en in den ersten 45 Minuten gegen Norwegen. „Sie haben absolute Spielfreud­e gezeigt und Spaß gehabt.“27:4 Torschüsse zählten die Statistike­r. „Die Deutschen hätten uns killen können“, meinte Norwegens Trainer Even Pellerud. Weil im deutschen Team aber nach der Pause Schlendria­n und Müdigkeit aufkamen, war es nun das zuvor erwartete Duell auf Augenhöhe. „Wir haben nicht mehr so gut gegen den Ball gearbeitet und zu viele Fehlpässe produziert“, analysiert­e Neid. Norwegens Maren Mjelde (61.) zauberte einen Freistoß aus 17 Metern in den Winkel.

Die Entscheidu­ng um den Gruppensie­g ist offen. Die deutsche Mann- schaft geht als klarer Favorit ins letzte Vorrundens­piel am Montag (22 Uhr/ ZDF und Eurosport) in Winnipeg gegen Thailand. Mit einer Chartermas­chine ging es für die DFB-Elf am Freitag in einem Zwei-Stunden-Flug von Ottawa Richtung Westen.

„Wenn wir so weiterspie­len wie in der ersten Hälfte, werden wir bei der WM erfolgreic­h sein“, sagte Marozsan, die Fan von Cristiano Ronaldo ist und ihre erste Bundesliga­partie bereits im Alter von 15 Jahren absolviert­e – als jüngste Bundesliga­spielerin. In der Nationalma­nnschaft genießt die Expertin für ruhende Bälle höchstes Ansehen. „Wenn sie sich so weiterentw­ickelt, wird sie eine der besten Spielerinn­en der Welt“, sagt ihre Frankfurte­r Vereinskol­legin Simone Laudehr.

Marozsan wird dann vermutlich in die Verlegenhe­it kommen, mehr als zwei Fragen beantworte­n zu müssen.

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FOTO: DPA Vor einer großen Zukunft: Dzsenifer Marozsan (re.), hier im Duell mit Ingrid Schjelderu­p (Norwegen).

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