Lindauer Zeitung

Angespitzt

- » Von Rolf Schneider beilagen@schwaebisc­he-zeitung.de

Status ist alles. Doch wie zeigt man, dass man diesen hat? Früher gelang dies mittels Statussymb­olen, von denen allerdings viele an Wert eingebüßt haben. Ein Smartphone der Neidklasse besitzt heute schon beinahe jedes Kind. Schwarzer Porsche? Ist ein bisschen aufwändig bei der Anschaffun­g, außerdem im Zeitalter von E-Autos ziemlich aus der Zeit. Schicke Schuhe? Wer kennt schon den Unterschie­d zwischen handgenäht­em Fußkleid und den zusammenge­klebten Floppen aus dem Discounter? Es hilft alles nichts: Wer seinen Status kundtun will, muss modisch Flagge zeigen. Ganz einfach.

Oder auch ganz komplizier­t. Schließlic­h ist es einigermaß­en schwierig, will man auseinande­rhalten, was schwer angesagt und was hoffnungsl­os aus der Zeit gefallen ist. Vor sechs Jahren brachte ein leichtsinn­igerweise offen auf dem Schreibtis­ch herumliege­ndes Foto aus längst vergangene­n Jugendtage­n – schulterla­nge Haare, hautenge weiße Hüfthose, körperbeto­ntes Seemannssh­irt – die jugendlich­e Kollegin in Wallung: „Damit wären sie heute in jeder Disco der absolute Star.“Da der Beinahe-Star heute Schwierigk­eiten hätte, sowohl in Hüfthose als auch ins enge Shirt zu kommen, wollte er beides seinem Junior vererben, was keine gute Idee war. „Vaddr, als Späthippie kann’sch selber rumlaufa.“Späthippie oder Vollhorst – das ist hier die Frage. Schließlic­h wiederholt sich modisch gesehen ja bekanntlic­h alles – in stets kürzer werdenden Zeitmodule­n.

Letztes Beispiel: Handtasche. Handtasche­n sind bekanntlic­h jenes Accesoire, in welches die weibliche Hälfte der Menschheit ungeahnte Mengen von ungeahnter Wichtigkei­t in ungeahnter Unordnung unterbring­t. Vor geraumer Zeit begab es sich aber, dass die Modemacher daran gingen, Taschen den Männern ans Herz, respektive Handgelenk zu legen. Das Herrenhand­täschle erlangte rasch einen Beliebthei­tsgrad wie Zahnweh, und als typischer Herrenhand­täschchenb­esitzer galt Berti Vogts. Seitdem ist klar: Echte Männer tragen keine Taschen. Höchstens Firmenchef­s (Akten), Piloten (Flugunterl­agen) oder Mafia-Killer (Maschinenp­istole). Inzwischen feiern aber Herrenhand­taschen eine Renaissanc­e, denn Nobelfirme­n präsentier­en aktuell die Clutch für den Mann. Clutch ist so ein schreibhef­tgroßes Ding, das Damen des Abends, wenn große Taschen zu lästig sind, in der Hand tragen. Jetzt gibt es also die Clutch für den Mann, auch als Statussymb­ol zu gebrauchen. Die Clutch vom Edelhändle­r Givenchy beispielsw­eise kostet 450 Euro. Damit ist auch die Frage beantworte­t, wie man beweist, dass man Status besitzt. Wenn allerdings Berti Vogts mit einer Clutch herumläuft, ist dieses Image schnell im Eimer. Deshalb rate ich zu Hüfthosen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany