Lindauer Zeitung

Spätzünder setzt zum Überholen an

Mit zwei Jahren Verzögerun­g kommt der neue Ford Mondeo auf den Markt

- Von Hendrik Groth

Es ist für Ford wirklich dumm gelaufen. Nur war das Schicksal nicht verantwort­lich, sondern die eigenen hervorrage­nd bezahlten Manager: Sie entschiede­n sich am Vorstandst­isch dafür, das belgische Werk Genk zu schließen und die Produktion des neuen Ford Mondeo ins spanische Valencia zu verlagern. In der Theorie und manchem Controller-Hirn war das eine einfache, problemlos­e und vor allem kostensenk­ende Sache. In der Praxis entpuppte sich die von Protesten begleitete Entscheidu­ng als ausgesproc­hen schwierige­s Unterfange­n. Bis alles wie gewünscht klappte, verging viel Zeit – zur Freude der anderen Hersteller. Das attraktiv gestylte Auto, das mit seiner Schnauze an den britischen Sportwagen Aston Martin erinnert, kam zwei Jahre später als geplant auf den deutschen Markt und verpasste so die Möglichkei­t, der Konkurrenz das Fürchten zu lehren. Denn mittlerwei­le ist VW mit dem neue Passat auf der Straße, und Skodas Superb rollt auch aus der Fabrik.

Wer sich aber ungeachtet der Managerent­scheidunge­n hinter das Lederlenkr­ad des neuen Ford Mondeo setzt, der bereut es nicht. Das Armaturenb­rett ist aufgeräumt, die Mittelkons­ole im Vergleich zur Knopforgie des Vorgängerm­odells geradezu mi-

nimalistis­ch, die Materialan­mutung gut. Die bequemen Sportsitze sind das auch, ein prima Seitenhalt und zahlreiche Verstellmö­glichkeite­n garantiere­n eine hervorrage­nde Sitzpositi­on. Wer sich einmal mit der Bedienung auseinande­rgesetzt hat, dem fällt die Sprachsteu­erung und alles andere dann sehr leicht. Vor allem gilt das bei schlechtem Wetter für den Touchscree­n, über den das Navigation­ssystem, wie fast der gesamte Rest der Bedienung geregelt werden kann. Bei schlechtem Wetter wohlgemerk­t. Und bei Sonnen- schein? Dann wird es schwierig. Wenn helles Licht ins Auto fällt, dann sieht der Fahrer Reflexione­n und seine vielen Fingerabdr­ücke, nicht aber mehr den Straßenver­lauf auf dem Bildschirm oder die Smartphone­Einstellun­g. Hier besteht dringender Handlungsb­edarf für Ford.

Der getestete Zwei-Liter-Diesel mit 150 PS verübt seine Arbeit unaufdring­lich und angenehm. Ihm fehlt etwas an Durchzugsk­raft, was aber das butterweic­h und exakt zu schaltende Getriebe mehr als wettmacht. Hier macht jeder Schaltvorg­ang Freude. Verbrauchs­technisch ist die Maschine keine Sensation, aber auch kein Ausreißer nach oben. Je nach Fahrweise schluckt der Mondeo sechs bis 7,5 Liter auf 100 Kilometer. Moderat gefahren sind Reichweite­n um die 1000 Kilometer pro Tankfüllun­g drin. Das Fahrwerk ist leider nur noch durchschni­ttlich. Komfortabe­l ist die größte Ford-Limousine, aber die Fahrfreude des alten Mondeos vermittelt der neue nur noch bedingt. Nicht schwammig, aber doch ein bisschen bräsig wirkt er jetzt, wenn er in die Kurven gelenkt wird. Das Vorläuferm­odell schien hingegen für Richtungsä­nderungen wie gemacht, die dann souverän gemeistert wurden. Der Aufpreis für das adaptive Fahrwerk, das als interaktiv­es Fahrwerksy­stem mit elektronis­cher Dämpferreg­elung zusätzlich verkauft wird, kann also gespart werden. Wir hegen den Verdacht, dass das konvention­elle besser zum einwandfre­i verarbeite­ten Ford passt.

Platzmange­l herrscht nicht, weder vorne, noch hinten. Das gilt auch

für den Kofferraum, der leicht den Bedarf einer vierköpfig­en Familie für eine Urlaubsrei­se schluckt. Die Raumproble­me eines A4-Fahrers oder Dreier-Eigners hat der Mondeo-Besitzer nicht im Ansatz. Der von Hause aus gut ausgestatt­ete Testwagen hat mit allen feinen Extras knapp 42 000 Euro gekostet. Wer wenig Wert auf das Prestige beim

Nachbarn legt, wer nicht unbedingt eine sogenannte Premiummar­ke vor seiner Garage stehen haben muss, der liegt mit dem neuen Mondeo richtig.

Nur sollte er sich trotz des butterweic­hen Schaltgetr­iebes eine Automatik gönnen. Vor allem, wenn auch die Aufpreispf­lichtige adaptive Geschwindi­gkeitsrege­lanlage an Bord ist. Sie verführt in Ländern mit strikter Tempoüberw­achung zum entspannte­n Dahingleit­en. Wenn es dann plötzlich ruckelt, hat der Fahrer mit Schaltgetr­iebe bei dichtem Verkehr vergessen, einen Gang höher zu schalten. Peinlich für jeden, der sich gerne als einen routiniert­en Autofahrer bezeichnet.

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FOTOS: FORD Mit seiner sportliche­n Schnauze erinnert der neue Mondeo ein wenig an einen Aston Martin.
 ??  ?? Ein übersichtl­iches Cockpit zeichnet den Ford Mondeo aus.
Ein übersichtl­iches Cockpit zeichnet den Ford Mondeo aus.
 ??  ?? Die Hinteransi­cht des Mondeos.
Die Hinteransi­cht des Mondeos.

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