Spätzünder setzt zum Überholen an
Mit zwei Jahren Verzögerung kommt der neue Ford Mondeo auf den Markt
Es ist für Ford wirklich dumm gelaufen. Nur war das Schicksal nicht verantwortlich, sondern die eigenen hervorragend bezahlten Manager: Sie entschieden sich am Vorstandstisch dafür, das belgische Werk Genk zu schließen und die Produktion des neuen Ford Mondeo ins spanische Valencia zu verlagern. In der Theorie und manchem Controller-Hirn war das eine einfache, problemlose und vor allem kostensenkende Sache. In der Praxis entpuppte sich die von Protesten begleitete Entscheidung als ausgesprochen schwieriges Unterfangen. Bis alles wie gewünscht klappte, verging viel Zeit – zur Freude der anderen Hersteller. Das attraktiv gestylte Auto, das mit seiner Schnauze an den britischen Sportwagen Aston Martin erinnert, kam zwei Jahre später als geplant auf den deutschen Markt und verpasste so die Möglichkeit, der Konkurrenz das Fürchten zu lehren. Denn mittlerweile ist VW mit dem neue Passat auf der Straße, und Skodas Superb rollt auch aus der Fabrik.
Wer sich aber ungeachtet der Managerentscheidungen hinter das Lederlenkrad des neuen Ford Mondeo setzt, der bereut es nicht. Das Armaturenbrett ist aufgeräumt, die Mittelkonsole im Vergleich zur Knopforgie des Vorgängermodells geradezu mi-
nimalistisch, die Materialanmutung gut. Die bequemen Sportsitze sind das auch, ein prima Seitenhalt und zahlreiche Verstellmöglichkeiten garantieren eine hervorragende Sitzposition. Wer sich einmal mit der Bedienung auseinandergesetzt hat, dem fällt die Sprachsteuerung und alles andere dann sehr leicht. Vor allem gilt das bei schlechtem Wetter für den Touchscreen, über den das Navigationssystem, wie fast der gesamte Rest der Bedienung geregelt werden kann. Bei schlechtem Wetter wohlgemerkt. Und bei Sonnen- schein? Dann wird es schwierig. Wenn helles Licht ins Auto fällt, dann sieht der Fahrer Reflexionen und seine vielen Fingerabdrücke, nicht aber mehr den Straßenverlauf auf dem Bildschirm oder die SmartphoneEinstellung. Hier besteht dringender Handlungsbedarf für Ford.
Der getestete Zwei-Liter-Diesel mit 150 PS verübt seine Arbeit unaufdringlich und angenehm. Ihm fehlt etwas an Durchzugskraft, was aber das butterweich und exakt zu schaltende Getriebe mehr als wettmacht. Hier macht jeder Schaltvorgang Freude. Verbrauchstechnisch ist die Maschine keine Sensation, aber auch kein Ausreißer nach oben. Je nach Fahrweise schluckt der Mondeo sechs bis 7,5 Liter auf 100 Kilometer. Moderat gefahren sind Reichweiten um die 1000 Kilometer pro Tankfüllung drin. Das Fahrwerk ist leider nur noch durchschnittlich. Komfortabel ist die größte Ford-Limousine, aber die Fahrfreude des alten Mondeos vermittelt der neue nur noch bedingt. Nicht schwammig, aber doch ein bisschen bräsig wirkt er jetzt, wenn er in die Kurven gelenkt wird. Das Vorläufermodell schien hingegen für Richtungsänderungen wie gemacht, die dann souverän gemeistert wurden. Der Aufpreis für das adaptive Fahrwerk, das als interaktives Fahrwerksystem mit elektronischer Dämpferregelung zusätzlich verkauft wird, kann also gespart werden. Wir hegen den Verdacht, dass das konventionelle besser zum einwandfrei verarbeiteten Ford passt.
Platzmangel herrscht nicht, weder vorne, noch hinten. Das gilt auch
für den Kofferraum, der leicht den Bedarf einer vierköpfigen Familie für eine Urlaubsreise schluckt. Die Raumprobleme eines A4-Fahrers oder Dreier-Eigners hat der Mondeo-Besitzer nicht im Ansatz. Der von Hause aus gut ausgestattete Testwagen hat mit allen feinen Extras knapp 42 000 Euro gekostet. Wer wenig Wert auf das Prestige beim
Nachbarn legt, wer nicht unbedingt eine sogenannte Premiummarke vor seiner Garage stehen haben muss, der liegt mit dem neuen Mondeo richtig.
Nur sollte er sich trotz des butterweichen Schaltgetriebes eine Automatik gönnen. Vor allem, wenn auch die Aufpreispflichtige adaptive Geschwindigkeitsregelanlage an Bord ist. Sie verführt in Ländern mit strikter Tempoüberwachung zum entspannten Dahingleiten. Wenn es dann plötzlich ruckelt, hat der Fahrer mit Schaltgetriebe bei dichtem Verkehr vergessen, einen Gang höher zu schalten. Peinlich für jeden, der sich gerne als einen routinierten Autofahrer bezeichnet.