Vom Wand- und Wagenwäscher zum Hygienetechniker
Das alte Handwerk Gebäudereinigung ist heute ein Dienstleistungsgeschäft mit breitem Leistungsspektrum und Milliardenumsätzen
Sie haben Sauberkeit und Hygiene zu ihrem Beruf gemacht, und sie sind als professionelle Dienstleister für Industrie, Gewerbe, öffentliche Einrichtungen und Privathaushalte nicht mehr wegzudenken. Nicht zuletzt aber sind die Gebäudereiniger nach Angaben ihres Bundesinnungsverbandes das beschäftigungsstärkste Handwerk Deutschlands. Rund 600 000 Menschen – Betriebsinhaber und angestellte Mitarbeiter – sind in den gut 15 000 Betrieben beschäftigt. Zwar gibt es Handwerkszweige, die über eine längere Tradition verfügen. Aber manche Wirtschaftshistoriker sehen die Ahnen der heutigen Gebäudereiniger in den sogenannten Wand- und Wagenwäschern, die bereits im 17. Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg durch die stark ramponierten Städte zogen, um Fassaden zu reinigen. Von Gebäudereinigern im heutigen Sinne spricht man aber erst seit dem 19. Jahrhundert, wobei sich deren Tätigkeit zunächst fast ausschließlich auf die Glasreinigung beschränkte. Erst in der Gründerzeit nach 1870, als in den Städten viele große Geschäftshäuser und repräsentative öffentliche Gebäude entstanden, wurde das Leistungsspektrum der Gebäudereiniger breiter. Als Handwerksberuf sind sie jedoch erst seit 1934 staatlich anerkannt.
Kleine und mittlere Firmen als Spezialanbieter
Mit einem Gesamtumsatz von gut 15 Milliarden Euro (2014) stellt das Gebäudereiniger-Handwerk einen beachtlichen volkswirtschaftlichen Faktor dar. Die Branche besteht jedoch vorwiegend aus kleinen und mittleren Firmen. Diese betätigen sich oft als Spezialanbieter in Nischen des Marktes. Daneben gibt es eine Reihe von Großunternehmen, die sämtliche Dienstleistungen in und an Gebäuden und in deren Umfeld anbieten. Ein Pionier und zugleich einer der erfolgreichsten Un- ternehmer der Branche war der 2013 verstorbene Peter Dussmann, der aus Rottweil stammte. Er hatte 1963 in München einen Heimpflegedienst gegründet, aus dem sich dann eine internationale Firmengruppe mit einem breiten Sortiment an Dienstleistungen entwickelte, die heute rund 60 000 Mitarbeiter beschäftigt und nahezu zwei Milliarden Euro Umsatz erzielt. Die Hauptverwaltung hat ihren Sitz ist Berlin.
Mit simplen Putzkolonnen, die noch immer in manchen Köpfen das Bild dieser Branche prägen, hat der moderne Gebäudereinigungsbetrieb so gut wie nichts mehr zu tun. So of- ferieren vor allem die größeren Unternehmen neben der Reinigung von Gebäuden auch Hausmeister-, Pförtner- und Bewachungsdienste, teilweise auch Catering-Service oder Kantinenbewirtschaftung, ebenso Hol- und Bringdienste der verschiedensten Art sowie Grünflächenpflege und Winterdienst.
Angebot um sonstige Servicetätigkeiten erweitert
Manche Firmen haben sich auch auf Dienstleistungen spezialisiert, bei denen der Hygieneanspruch außergewöhnlich hoch ist, etwa in Krankenhäusern, in der Pharma- oder So- larindustrie. Andere verfügen über ein besonderes Know-how für die Reinigungs- und sonstigen Servicetätigkeiten in Schulen, Theatern, Schwimmbädern, Bahnhöfen, in Bussen und Zügen, auf Kreuzfahrtschiffen oder in Tierparks. Aber auch Privathaushalte greifen auf die Dienste von professionellen Reinigungsexperten gern zurück, wenn es zum Beispiel darum geht, vor dem Einzug in einen Neubau alle Spuren der Bauarbeiten fachgerecht beseitigen zu lassen.
Für die gewaltige Ausweitung des Leistungsangebots der Gebäudereinigungsfirmen gibt es freilich gute Gründe. Nach Angaben des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks ist der Markt bei den traditionellen Reinigungsarbeiten für gewerbliche Kunden weitgehend ausgeschöpft. So sei bei diesem Kundenkreis die Unterhaltsreinigung bereits zu fast 80 Prozent, die Fenster- und Glasreinigung sogar zu mehr als 90 Prozent an externe Dienstleister vergeben.
Als Handwerksbetriebe bieten die Gebäudereiniger auch eine reguläre handwerkliche Ausbildung an. Sie dauert in der Regel drei Jahre, ist dual angelegt in Betrieb und Berufsschule und wird durch eine theoreti- sche und praktische Gesellenprüfung abgeschlossen. Die klassische Weiterbildung ist auch in diesem Handwerk die Meisterprüfung, wenngleich die Gebäudereiniger zu den Handwerkssparten gehören, in denen es keinen Meisterzwang mehr gibt, wo also die Gründung eines eigenen Betriebs nicht mehr an den Meisterbrief gebunden ist. Die Innungen empfehlen freilich ihren tüchtigen Gesellen nach wie vor, sich zum Meister weiterzubilden und verweisen darauf, dass eine solche Qualifikation für die Führung eines eigenen Betriebs oder eine leitende Stellung in einem anderen Unternehmen von großem Vorteil sei.
Weiterbildung an Fachschulen zum Techniker oder Fachwirt
Mit einer abgeschlossenen Ausbildung und einiger Berufspraxis können Gesellen des GebäudereinigerHandwerks auch eine Weiterbildung zum/zur staatlich geprüften Techniker/in der Fachrichtung Reinigungsund Hygienetechnik antreten. Sie erfolgt in Fachschulen, dauert in Vollzeit zwei Jahre und befähigt zur Übernahme von Aufgaben auf mittlerer Führungsebene. Eine andere Weiterbildungsmöglichkeit ist ein Lehrgang zum Fachwirt beziehungsweise zur Fachwirtin Reinigung und Hygiene, der beispielsweise an der Technischen Akademie Wuppertal absolviert werden kann.
Für höhere Führungspositionen wird heute auch in der Reinigungsbranche oft ein akademisches Studium erwartet. Eine Reihe von Hochschulen stellte sich inzwischen auch auf diesen Bedarf der Praxis ein. So hat in unserer Region die Hochschule Albstadt-Sigmaringen die Bachelor-Studiengänge Facility Management und Lebensmittel, Ernährung, Hygiene mit der Wahlrichtung Hygienetechnik im Programm. Deren Absolventen und Absolventinnen erwerben eine hochwertige Qualifikation für Managementaufgaben nicht nur, aber auch in Gebäudereinigungsunternehmen.