Gabriels Geduld mit Athen ist am Ende
Vizekanzler spricht von „Erpressung“im Schuldenstreit – Vermittlungsversuch scheitert
BERLIN/BRÜSSEL (AFP) - Angesichts der stockenden Verhandlungen im Schuldenstreit mit Griechenland hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) scharfe Kritik an der Regierung in Athen geübt. „Nicht nur die Zeit wird knapp, sondern überall in Europa auch die Geduld“, schrieb Gabriel in einem Gastbeitrag für die „Bild“-Zeitung. Im ARD-„Bericht aus Berlin“sagte er, Deutschland und Europa würden sich nicht „erpressen lassen“.
Hintergrund ist der Streit um die Bedingungen für weitere Finanzhilfen für Griechenland. Am Wochen- ende haben Vertreter Athens und der Geldgeber erfolglos um eine Einigung gerungen. Am Sonntag brach EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker einen Vermittlungsversuch ab. Es gebe bei den diskutierten Reformen für Griechenland einen deutlichen Unterschied zwischen den Plänen der Geldgeber und Athens, so ein Sprecher.
An den Gesprächen mit der griechischen Delegation nahmen Vertreter von Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) teil. Die Gläubiger hatten Athen in der vergangenen Woche Bedingungen für die Auszahlung zurückgehaltener Hilfskredite in Höhe von 7,2 Milliarden Euro genannt. Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras wies die Vorschläge als „absurd“zurück.
Gabriel polterte nun, die „Spieltheoretiker“aus Athen seien „dabei, die Zukunft ihres Landes zu verzocken. Und die von Europa gleich mit“. Athens Verhandlungsführer glaubten, dass die Angst vor einem Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro so groß sei, „dass wir alles mitmachen“. Dies werde aber „nicht der Fall sein“. Der Bundeswirtschaftsmi- nister ging in der „Bild“sogar so weit, ein Ende der deutschen Unterstützung für Griechenland anzudeuten. „Wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen“, schreibt Gabriel.
Gelingt kein rascher Durchbruch bei den Verhandlungen, droht Griechenland die Pleite. Ende des Monats läuft das Hilfsprogramm aus, außerdem muss Athen 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen.
BRÜSSEL/ATHEN (dpa) - Im griechischen Schuldendrama ist ein letzter Vermittlungsversuch von EUKommissionschef Jean-Claude Juncker gescheitert. Es bleibe bei den diskutierten Reformen für Griechenland immer noch ein deutlicher Unterschied zwischen den Plänen der Geldgeber und Athens. Das teilte ein Kommissionssprecher in Brüssel am Sonntagabend mit. Die weiteren Verhandlungen müssten jetzt in der Eurogruppe geführt werden, in der sich die Euro-Finanzminister treffen. Das nächste Treffen der 19 Ressortchefs ist an diesem Donnerstag in Luxemburg geplant.
„Präsident Juncker bleibt überzeugt, dass mit verstärkten Reformanstrengungen auf der griechischen Seite und politischem Willen auf allen Seiten eine Lösung bis Monatsende gefunden werden kann“, so der Sprecher.
Am 30. Juni läuft das schon zweimal verlängerte Hilfsprogramm für Griechenland auf europäischer Seite aus. Ohne Einigung droht Griechenland der Staatsbankrott. Am 30. Juni muss Athen auch rund 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Viele trauen dem Land nicht mehr zu, diesen hohen Betrag zu stemmen.
Am Samstag hatte sich ein Vertreter Junckers mit Nikos Pappas, dem engsten Mitarbeiter des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, getroffen. Auf Initiative Junckers standen auch am Sonntag Vertreter von Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) bereit, um in die Gespräche einzusteigen.
In Athener Regierungskreisen hieß es, man werde „auf keinen Fall Kürzungen von Renten und Löhnen oder der Erhöhung der Mehrwertsteuer“zustimmen. Der zu den Geld- gebern gehörende IWF bestehe auf Rentenkürzungen in einer Höhe von 1,8 Milliarden Euro jährlich, hieß es.
Der Kommissionssprecher teilte weiter mit, es sei einiger Fortschritt am Wochenende erreicht worden. Die Pläne von Geldgebern und Griechenlands lägen auf einer jährlichen Basis um etwa zwei Milliarden Euro auseinander, das entspreche 0,5 bis 1 Prozent der Wirtschaftsleistung. „Außerdem bleiben die griechischen Vorschläge unvollständig“, bemängelte der Sprecher.
Die EU-Kommission erhöhte am Wochenende noch einmal den Druck, einen Kompromiss für das Reformpaket zu finden. Dieses ist Vor- rausetzung für die Auszahlung von blockierten Hilfen in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. „Die Zeit ist nicht auf unserer Seite“, sagte der für den Euro zuständige EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis der „Welt“.
Juncker warnte vor verheerenden Folgen eines griechischen Austritts aus der Euro-Währungsunion. Dies wisse auch Tsipras, so Juncker. „Er weiß, dass die Lage sich zuspitzt. Ich habe ihm das in allen Farben und in mehreren Sprachen nahegebracht.“
„Ich wehre mich seit Monaten gegen den vermeintlich einfachen Weg, den man als Grexit bezeichnet“, so Juncker. „Träte Griechenland aus der Währungsunion aus, wäre die Europäische Union nie mehr dieselbe. Denn es wäre dann der Beweis dafür angetreten worden, dass doch einige Integrationsfortschritte in der EU eben nicht irreversibel sind.“