Großer Andrang bei „Initiative Tierwohl“
Handel rennt mit seiner „Initiative Tierwohl“bei Schweinehaltern offene Türen ein
RAVENSBURG (sz) - Mit der „Initiative Tierwohl“setzt sich erstmalig in Deutschland ein branchenübergreifendes Bündnis aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel gemeinsam für mehr Tierwohl in der Fleischerzeugung ein. Ziel ist es, die Standards in der Nutztierhaltung für Schweine und Geflügel auszubauen. 711 Schweinehalter aus Baden-Württemberg haben sich dafür beworben. Allerdings darf nur knapp die Hälfte der Bewerber mitmachen: im Südwesten 341. Das führt zu Problemen.
RAVENSBURG - Reinhard Funk hat Glück gehabt. Der Schweinemäster aus dem Kreis Biberach wurde für die Teilnahme an der „Initiative Tierwohl“des Lebensmitteleinzelhandels ausgelost. Er kann also darauf hoffen, dass er seine Investitionen, die er für das Wohl seiner Schweine bereits getätigt hat, auch wieder zurückgezahlt bekommt. Andere haben dagegen die Gewissheit, dass sie nichts zurückbekommen. Die Initiative stolpert über ihren eigenen Erfolg und muss nun aus Geldmangel tierschutzwillige Landwirte massenweise abweisen.
Genau genommen ist die „Initiative Tierwohl“eine kleine Revolution. Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel besteht aus einem Haifischbecken von gegenseitigen Erzrivalen: Lidl, Aldi, Rewe, Edeka, um nur die größten zu nennen. Sie haben sich zusammengerauft, um ihren Zulieferern Geld zu schenken. Vermutlich nicht ihr eigenes, aber sie wollen es immerhin beim Verbraucher für einen guten Zweck einsammeln und gleichzeitig ihr eigenes Image aufpolieren.
Pro Kilo verkauften Fleisches will der Handel vier Cent einsammeln und in einen Tierschutz-Fonds einzahlen. Pro Jahr soll dieser Fonds ein Volumen von 85 Millionen Euro aufnehmen. Seit April können sich – vorerst nur Schweinehalter – bewerben, Mittel aus diesem Fonds für die nächsten drei Jahre zugeteilt zu bekommen. Bedingung ist die Umsetzung verschiedener Tierwohl-Maßnahmen, wie mehr Platz, oder Antibiotika-Monitoring. Wer mehr Maßnahmen umsetzt, bekommt auch mehr – zwischen drei und neun Euro pro Schwein.
Großer Zulauf wird zum Problem
Der Andrang unter den Landwirten war enorm und übertraf die Erwartungen aller Beteiligten. 711 Schweinehalter aus Baden-Württemberg haben sich bei der „Initiative Tierwohl“beworben – bundesweit waren es sogar 4653 Betriebe. Aber bei der Auswahl – dem so genannten Audit – darf nur knapp die Hälfte mitmachen: im Südwesten 341 und deutschlandweit 2142. Warum? Das Geld ist zu knapp. „Wenn das Geld für alle Bewerber hätte reichen sollen, wären mindestens 105 Millionen Euro nötig gewesen“, erklärt Marco Eberle vom Landesbauernverband Baden-Württemberg.
Darüber hinaus sind die 85 Millionen Euro noch nicht einmal allein für die Schweinehalter gedacht. „20 Millionen davon sind für die Geflügelhalter reserviert“, fährt Eberle fort. Denn ab dem 1. Juli dürfen auch diese sich für eine Teilnahme an der „Initiative Tierwohl“bewerben. Nach Abzug der Risikorücklagen und sonstiger Kosten für Werbung und Organisation blieben noch insgesamt 52 Millionen Euro für die Schweinehalter übrig, rechnet der Fachmann vom Bauernverband vor.
Schweinehalter Reinhard Funk aus Biberach muss nun abwarten, wie die Prüfer beim Audit entscheiden. Sie entscheiden, ob der Stall den Kriterien entspricht. Funk hat zum Beispiel zusätzliche Fenster für mehr Tageslicht in seinen 15 Jahre alten Stall einbauen lassen und die Anzahl seiner Schweine von 1000 auf 900 reduziert, damit die Tiere mehr Platz haben. „Die Kosten liegen für mich zwischen 5000 und 10 000 Euro“, sagt er. Sein Antrieb: „Viele Verbraucher fragen schon seit Jahren: Warum macht ihr nicht mehr?“Mit der „Initiative Tierwohl“habe es endlich eine Möglichkeit gegeben, den zusätzlichen Einsatz ausgeglichen zu bekommen. Verdienen tut er daran nichts.
Initiative droht zu scheitern
Doch nun droht die Initiative ein Flop zu werden. Helmut Gahse, Schweinhalter aus dem Kreis Heilbronn, weiß was damit gemeint ist. Er ist ebenfalls mit mehreren Tausend Euro in Vorleistung gegangen, um sich für die Teilnahme zu qualifizieren. „Ich habe die Zahl meiner Ferkel um 120 Stück reduziert und Scheuergeräte eingebaut“– also Spielzeug für die Tiere. Doch dann entschied das Los, dass er nicht einmal am Audit teilnehmen kann. Enttäuscht ist er schon. Aber das Spielzeug lässt er jetzt im Stall. Nur die Ferkelzahl wird er bald wieder erhöhen müssen, um keinen weiteren Ertragsausfall zu haben.
Der Bauernverband versucht nun händeringend zu vermeiden, dass aus dem Projekt ein Flop wird. Denn sonst droht ein Gesetz. „Wenn der Gesetzgeber das regelt, dann müssen wir Landwirte wieder alles alleine tragen“, sagt Bauer Funk. Dann gibt es keinen Kostenausgleich. Ideen gibt es schon: Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der „Initiative Tierwohl“: „Jetzt geht es für uns darum, weitere Unternehmen – auch aus anderen Branchen wie zum Beispiel der Systemgastronomie – zur Teilnahme zu motivieren. Dadurch könnten wir die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel erweitern und hoffentlich mehr Tierhaltern die Teilnahme ermöglichen.“