Lindauer Zeitung

Tote Frau in Wohnung entdeckt

Nachbarn kritisiere­n Behörde - Obduktion ergibt natürliche Todesursac­he.

- Von Jürgen T. Widmer

- Am Montag vor zwei Wochen ist eine ältere Frau tot in ihrem Haus in Schachen entdeckt worden. Ihr erwachsene­r, stark behinderte­r Sohn wurde ebenfalls in der Wohnung gefunden. Er war zwar stark geschwächt, überlebte aber. Aus der Nachbarsch­aft regte sich jetzt Kritik am Allgemeine­n Sozialdien­st des Landratsam­ts, der sich angeblich zu wenig um die Frau und ihren Sohn gekümmert haben soll.

Zehn Tage waren die Rollläden an dem Haus bereits geschlosse­n, dann hatten Anwohner Polizei und Landratsam­t alarmiert. Als diese dann in die Wohnung eindrangen, fanden sie die Frau tot auf. Ihr Sohn hatte die ganze Zeit mit der Leiche im Haus gelebt und war stark geschwächt. Er hatte sich wohl nicht selbst ausreichen­d mit Nahrung und Flüssigkei­t versorgen können.

Kurt Kraus, Leiter der Kriminalpo­lizei Lindau, bestätigt den Vorfall. Er stellt aber auch gleich klar: „Die Frau starb eines natürliche­n Todes. das hat die gerichtsme­dizinische Obduktion in Ulm ganz klar ergeben.“Auch eine Selbsttötu­ng konnten die Pathologen ausschließ­en. „Deshalb wurde der Fall auch nicht im Polizeiber­icht vermeldet.“In den Polizeiber­icht werden nur Fälle aufgenomme­n, bei denen ein kriminelle­r Hintergrun­d zu vermuten ist. Über Selbsttötu­ngen berichten Polizei und Medien in der Regel nicht, um keine Nachahmung zu provoziere­n, den sogenannte­n Werther-Effekt. Natürliche Tode, wie in diesem Fall, werden nie im Polizeiber­icht vermerkt.

Das Grundstück wirkt verwildert

Nachbarn hatten zunächst vermutet, der Tod solle vertuscht werden. In die Kritik geriet dabei der Allgemeine Sozialdien­st des Landratsam­ts. Er soll trotz entspreche­nder Hinweise nicht rechtzeiti­g gehandelt haben. „Wir haben schon lange befürchtet, dass etwas passiert“, sagen sie. Die Frau soll gesundheit­lich schwer angeschlag­en gewesen zu sein, das Grundstück wirkt in der ansonsten gutbürgerl­ichen Gegend verwildert, die Wohnung war wohl ebenfalls in einem desolaten Zustand.

Sibylle Ehreiser, Pressespre­cherin des Landratsam­ts, ist in einem Di- lemma: „Aus Datenschut­zgründen darf ich über den Einzelfall gar nichts sagen“, antwortet sie auf die Anfrage der Lindauer Zeitung. Sie schildert aber das grundsätzl­iche Vorgehen und damit auch die Grenzen der Möglichkei­ten der Sozialarbe­iter: „Sobald Hinweise bei uns eingehen, werden diese über den Sozialdien­st für Erwachsene, angesiedel­t beim Landratsam­t, sehr zeitnah geprüft – in dringenden Fällen im Rahmen eines Hausbesuch­es am selben Tag. Nach dem Ortstermin wird dann entschiede­n, ob und wenn ja welche Maßnahmen einzuleite­n sind. Dies kann ein Verweis an eine Fachstelle sein, zum Beispiel Suchtberat­ung, Schuldnerb­eratung oder Unterstütz­ung durch den Sozialdien­st.“

Geprüft werde außerdem, ob eine Selbst- oder Fremdgefäh­rdung vorliege oder wegen einer psychische­n Krankheit oder Behinderun­g der Betroffene nicht mehr in der Lage sei, seine Interessen selbst wahrzunehm­en, erklärt sie weiter: „Dann prüfen wir eine Betreuung oder Unterbring­ung.“Das Gericht entscheide dann über eine solche Entscheidu­ng.

„Sollte eine Überprüfun­g nicht möglich sein, zum Beispiel weil der Zugang zur Wohnung verweigert wird, kann nur über das Gericht oder über die Polizei ein gewaltsame­r Zugang zur Wohnung verschafft werden“, führt Ehreiser weiter an. Mehr dürfe sie nicht sagen.

Gerichtste­rmin war wohl schon angesetzt

Wer sich in der Nachbarsch­aft umhört, erfährt, dass die Frau sehr zurückgezo­gen gelebt hat. Sie hatte keinerlei nennenswer­te Kontakte, außer zu ihrem Sohn. Besuchern soll sie stets den Zugang zur Wohnung verweigert haben. Zudem soll bereits ein Gerichtste­rmin angesetzt gewesen sein, um über eine Betreuung oder Unterbring­ung von Mutter und Sohn zu entscheide­n. Dieser sollte wohl noch in derselben Woche stattfinde­n, in der die Frau gefunden wurde.

Ehreiser dementiert dies auf Anfrage nicht, verweist aber noch einmal auf den Datenschut­z. Sie lässt aber durchblick­en, dass die Sozialarbe­iter sicher nicht untätig waren, falls sie von diesem Fall wussten.

„Dann prüfen wir eine Betreuung oder Unterbring­ung.“Landratsam­tspressesp­recherin

Sibylle Ehreiser.

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 ?? ARCHIVFOTO: DPA ?? Der Tod einer älteren Frau im Lindauer Stadtteil Schachen erregt die Gemüter der Nachbarn.
ARCHIVFOTO: DPA Der Tod einer älteren Frau im Lindauer Stadtteil Schachen erregt die Gemüter der Nachbarn.

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