Tote Frau in Wohnung entdeckt
Nachbarn kritisieren Behörde - Obduktion ergibt natürliche Todesursache.
- Am Montag vor zwei Wochen ist eine ältere Frau tot in ihrem Haus in Schachen entdeckt worden. Ihr erwachsener, stark behinderter Sohn wurde ebenfalls in der Wohnung gefunden. Er war zwar stark geschwächt, überlebte aber. Aus der Nachbarschaft regte sich jetzt Kritik am Allgemeinen Sozialdienst des Landratsamts, der sich angeblich zu wenig um die Frau und ihren Sohn gekümmert haben soll.
Zehn Tage waren die Rollläden an dem Haus bereits geschlossen, dann hatten Anwohner Polizei und Landratsamt alarmiert. Als diese dann in die Wohnung eindrangen, fanden sie die Frau tot auf. Ihr Sohn hatte die ganze Zeit mit der Leiche im Haus gelebt und war stark geschwächt. Er hatte sich wohl nicht selbst ausreichend mit Nahrung und Flüssigkeit versorgen können.
Kurt Kraus, Leiter der Kriminalpolizei Lindau, bestätigt den Vorfall. Er stellt aber auch gleich klar: „Die Frau starb eines natürlichen Todes. das hat die gerichtsmedizinische Obduktion in Ulm ganz klar ergeben.“Auch eine Selbsttötung konnten die Pathologen ausschließen. „Deshalb wurde der Fall auch nicht im Polizeibericht vermeldet.“In den Polizeibericht werden nur Fälle aufgenommen, bei denen ein krimineller Hintergrund zu vermuten ist. Über Selbsttötungen berichten Polizei und Medien in der Regel nicht, um keine Nachahmung zu provozieren, den sogenannten Werther-Effekt. Natürliche Tode, wie in diesem Fall, werden nie im Polizeibericht vermerkt.
Das Grundstück wirkt verwildert
Nachbarn hatten zunächst vermutet, der Tod solle vertuscht werden. In die Kritik geriet dabei der Allgemeine Sozialdienst des Landratsamts. Er soll trotz entsprechender Hinweise nicht rechtzeitig gehandelt haben. „Wir haben schon lange befürchtet, dass etwas passiert“, sagen sie. Die Frau soll gesundheitlich schwer angeschlagen gewesen zu sein, das Grundstück wirkt in der ansonsten gutbürgerlichen Gegend verwildert, die Wohnung war wohl ebenfalls in einem desolaten Zustand.
Sibylle Ehreiser, Pressesprecherin des Landratsamts, ist in einem Di- lemma: „Aus Datenschutzgründen darf ich über den Einzelfall gar nichts sagen“, antwortet sie auf die Anfrage der Lindauer Zeitung. Sie schildert aber das grundsätzliche Vorgehen und damit auch die Grenzen der Möglichkeiten der Sozialarbeiter: „Sobald Hinweise bei uns eingehen, werden diese über den Sozialdienst für Erwachsene, angesiedelt beim Landratsamt, sehr zeitnah geprüft – in dringenden Fällen im Rahmen eines Hausbesuches am selben Tag. Nach dem Ortstermin wird dann entschieden, ob und wenn ja welche Maßnahmen einzuleiten sind. Dies kann ein Verweis an eine Fachstelle sein, zum Beispiel Suchtberatung, Schuldnerberatung oder Unterstützung durch den Sozialdienst.“
Geprüft werde außerdem, ob eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliege oder wegen einer psychischen Krankheit oder Behinderung der Betroffene nicht mehr in der Lage sei, seine Interessen selbst wahrzunehmen, erklärt sie weiter: „Dann prüfen wir eine Betreuung oder Unterbringung.“Das Gericht entscheide dann über eine solche Entscheidung.
„Sollte eine Überprüfung nicht möglich sein, zum Beispiel weil der Zugang zur Wohnung verweigert wird, kann nur über das Gericht oder über die Polizei ein gewaltsamer Zugang zur Wohnung verschafft werden“, führt Ehreiser weiter an. Mehr dürfe sie nicht sagen.
Gerichtstermin war wohl schon angesetzt
Wer sich in der Nachbarschaft umhört, erfährt, dass die Frau sehr zurückgezogen gelebt hat. Sie hatte keinerlei nennenswerte Kontakte, außer zu ihrem Sohn. Besuchern soll sie stets den Zugang zur Wohnung verweigert haben. Zudem soll bereits ein Gerichtstermin angesetzt gewesen sein, um über eine Betreuung oder Unterbringung von Mutter und Sohn zu entscheiden. Dieser sollte wohl noch in derselben Woche stattfinden, in der die Frau gefunden wurde.
Ehreiser dementiert dies auf Anfrage nicht, verweist aber noch einmal auf den Datenschutz. Sie lässt aber durchblicken, dass die Sozialarbeiter sicher nicht untätig waren, falls sie von diesem Fall wussten.
„Dann prüfen wir eine Betreuung oder Unterbringung.“Landratsamtspressesprecherin
Sibylle Ehreiser.