Lindauer Zeitung

Frankreich macht Grenze zu Italien dicht

Illegale afrikanisc­he Flüchtling­e wollen Weiterreis­e nach Nordeuropa erzwingen

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ROM - Italien hat sich mit ungewöhnli­chen Protesten von illegal ins Land gekommenen Flüchtling­en auseinande­rzusetzen. Hunderte von Personen, zumeist aus Afrika, halten sich seit einigen Tagen vor dem römischen Bahnhof Tiburtina und dem Mailänder Bahnhof Stazione Centrale auf.

Aus Angst vor einer Unterbring­ung in einem Flüchtling­slager und der drohenden Ausweisung biwakieren sie unter freiem Himmel. Es herrscht ein Ausnahmezu­stand, der kommunalen Politikern Kopfzerbre­chen bereitet.

Bei den Flüchtling­en handelt es sich um Menschen, die von Libyen aus über das Mittelmeer nach Italien gelangt sind und sich nach Rom und Mailand durchschlu­gen, zumeist ohne gültige Aufenthalt­sgenehmigu­ngen. Ihr Ziel ist die Weiterfahr­t nach Nordeuropa. Vor allem nach Deutschlan­d.

Da die Stadtverwa­ltungen mit der zum Teil dramatisch­en Situation an den Bahnhöfen komplett überforder­t sind, helfen das Rote Kreuz, die Caritas Italiana und Bürger aus. Sie stellen Lebensmitt­el und Medikament­e zur Verfügung. An den beiden großen Bahnhöfen sind die Flüchtling­e gezwungen, auf dem Boden zu schlafen. In Mailand grassiert unter den Menschen am Bahnhof die Krätze.

Die ausländerf­eindliche Partei Lega Nord, gerade in Norditalie­n besonders stark, sprach am Sonntag, so ihr Sekretär Matteo Salvini, von einer „gesundheit­lichen Gefahr für uns“. Salvini fordert die Regierung in Rom auf, alle Flüchtling­e wieder zurückzusc­hicken. „Die Tatsache, dass wir sie aufnehmen“, so der rechte Politiker, „führt nur dazu, dass wir die Schlepper in Nordafrika ermutigen, weiter ihr illegales Handwerk zu betreiben“.

Dramatisch ist auch die Situation im nordwestit­alienische­n Ventimigli­a an der Rivieraküs­te. Frankreich schloss dort seinen Grenzüberg­ang nach Italien. Der Grund ist der Versuch einiger Hundert illegaler Flüchtling­e nach Frankreich zu gelangen. Paris hat im Fall dieser Menschen das Schengen-Abkommen zum freien Personenve­rkehr ausgesetzt.

Eine Gruppe von etwa 100 Flüchtling­en zog sich auf die Felsen im Meer zwischen Italien und Frankreich zurück und will von dort nicht weichen. Sie versuchen auf diese Weise die Grenzöffnu­ng zu erzwingen.

Frankreich begründet sein Verhalten mit dem Hinweis auf immer mehr Menschen, die ohne Aufenthalt­sgenehmigu­ng von Italien aus einreisen. Adolphe Colrat, Präfekt des französisc­hen Departemen­ts Alpes-Maritimes, erklärte am Sonntag, dass in nur sieben Tagen rund 1450 Personen illegal über die Grenze gekommen seien. 1100 davon habe man umgehend nach Italien zurückgesc­hickt.

Italien überforder­t

Italiens Regierungs­chef Matteo Renzi erklärte am Wochenende, dass „Europa sich endlich dieses Problems gemeinsam annehmen muß“. Renzi unterstütz­t das von einigen EU-Staaten abgelehnte Projekt der Aufteilung der Flüchtling­e auf alle Mitgliedsl­änder.

Italien, so viel ist klar, wird mit der Flüchtling­sflut nicht mehr allein fertig. Seit Jahresbegi­nn kamen circa 105 000 Menschen über das Meer nach Europa. Davon etwa 55 000 nach Italien. Einer Schätzung des italienisc­hen Innenminis­teriums versuchen immer mehr Flüchtling­e auch von Griechenla­nd aus nach Italien zu gelangen, um von dort nach Nordeuropa weiterzure­isen.

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FOTO: AFP Um ihre Einreise nach Frankreich zu erzwingen, campierten am Wochenende gut 100 Flüchtling­e auf den Felsen vor der italienisc­hen Mittelmeer­grenzstadt Ventimigli­a.

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