Lindauer Zeitung

Fleischkon­sum trotz Veggie-Trends konstant

Vegetarisc­he und vegane Nahrungsmi­ttel haben ihren Weg in die Supermärkt­e gefunden

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HANNOVER (dpa) - Frikadelle­n, Bratwurst und Schnitzel ohne Blutvergie­ßen – fleischlos­e Ersatzprod­ukte auf Soja-, Weizen- oder Lupinenbas­is sind präsent wie nie zuvor. Selbst bekannte Wurstherst­eller stocken ihr Produktpor­tfolio mit Fleischers­atz auf.

Die deutsche Fleischind­ustrie lässt das kalt – der Verbrauch an Wurst und Fleisch ist laut dem Bundesverb­and der Deutschen Fleischwar­enindustri­e (BVDF) in den vergangene­n drei Jahren konstant geblieben. Der Deutsche Fleischer-Verband sieht die bewusste Auseinande­rsetzung mit dem Thema Ernährung positiv. Sie bringe den Fleischern neue Kundschaft an die Wursttheke­n.

Verkostung hat überzeugt

Seit gut einem halben Jahr bietet der niedersäch­sische Wurstherst­eller Rügenwalde­r Mühle vegetarisc­he Wurst, Frikadelle­n und Schnitzel an. Mit der Idee hatte das Unternehme­n auch den eigenen Kundenbeir­at überrascht: „Wir waren überwältig­t, dass uns ein Wurstherst­eller mit vegetarisc­hen Produkten konfrontie­rt“, sagt Carsten Heusig, der Rügenwalde­r Mühle aus Kundensich­t berät. Natürlich habe es vorab viel Kritik gegeben. Die Verkostung habe den Beirat dann aber überzeugt. „Wir entscheide­n aus dem Bauch heraus, ob das ein Kunde im Kühlschran­k haben möchte“, sagt Heusig. Ein wirtschaft­liches Interesse habe der Beirat dabei nicht.

Die Produktion­skosten der vegetarisc­hen Wurst seien „eins zu eins mit der Wurst aus Fleisch“, sagt der Entwicklun­gs- und Marketingc­hef von Rügenwalde­r, Godo Röben. Auch im Supermarkt kosten die Packungen gleich viel – jeweils 1,29 Euro. Die Herstellun­gskosten hätten das Unternehme­n damals selbst überrascht. Man habe mit einer günstigere­n Produktion gerechnet, sagt Röben. Eier aus Freilandha­ltung, Rapsöl und gentechnik­freies Soja kämen aber nicht günstiger als Fleisch für das herkömmlic­he Produkt.

Das vegetarisc­he Konzept kam in den deutschen Läden gut an: „Wir hatten uns ursprüngli­ch zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 rund ein Drittel unseres Umsatzes mit fleischfre­ien Artikeln zu erzielen“, sagt Röben. „Wenn es so gut weiterläuf­t wie bisher, werden wir dieses Ziel jedoch viel früher erreichen.“Bereits im kommenden Herbst sollen die vegetarisc­hen Produkte 30 Prozent der Wochentonn­age ausmachen. Damit wolle Rügenwalde­r Mühle den Wurstmarkt „revolution­ieren“.

Der Geschäftsf­ührer des BVDF, Thomas Vogelsang, sieht das nicht als Kampfansag­e: „Es ist eher ein Revolutiön­chen.“Der Marktantei­l der fleischlos­en Produkte sei noch sehr klein. Zwar werde die vegetarisc­he Ernährung in den Medien sehr verbreitet. „Die Einkaufsre­alität ist aber eine andere“, sagt Vogelsang.

Die überwältig­ende Mehrheit (92 Prozent) der Bevölkerun­g hat der Bundesvere­inigung der Deut- schen Ernährungs­industrie (BVE) zufolge im vergangene­n Jahr nie oder weniger als einmal im Monat Fleischers­atzprodukt­e gegessen. Nur rund elf Millionen Kunden hätten dafür im Schnitt 19 Euro im ganzen Jahr ausgegeben. Insgesamt seien das 213 Millionen Euro gewesen.

„Die Fleischers­atz-Branche ist eine sehr kleine Nische“, sagt Vogelsang. Dass sich gerade traditione­lle Wurstherst­eller dafür interessie­ren, überrascht ihn aber nicht: „Das Knowhow und die Anlagen dafür sind da. Es ist also naheliegen­d.“

Tofu-Wurst in der Metzgerthe­ke

„Es gibt sicher einen Markt dafür“, sagt Gero Jentzsch, Sprecher des Deutschen Fleischer-Verbands, der bundesweit rund 14 000 Betriebe vertritt. Auch im Handwerk sei das Thema Fleischver­zicht angekommen – vor allem im Bereich Catering und Partyservi­ce müssten die Fleischer umstellen. „Es gibt kein Buffet mehr ohne vegetarisc­he Angebote“, sagt Jentzsch. Im Verkauf sei das Fleischerh­andwerk noch in einer Experiment­ierphase. Er könne sich aber auch von Hand hergestell­te vegetarisc­he und vegane Produkte in den Theken vorstellen. „Warum sollte eine TofuWurst nicht handgemach­t werden?“

Gerade die sogenannte­n Flexitarie­r seien für das Fleischerh­andwerk eine neue Kundengrup­pe. Sie setzen sich bewusst mit dem Fleischkon­sum auseinande­r, wollen aber nicht auf ein Steak oder eine Grillwurst verzichten. „Sie gehen häufiger ins Fleischfac­hgeschäft und nicht zum Discounter“, sagt Jentzsch.

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FOTO: DPA Eine Bratwurst aus Lupinenker­nen: Fleischlos­e Lebensweis­e kann äußerst lecker sein.

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