Radeln auf dem Superhighway
London will sein Image als Fahrradstadt aufpolieren
LONDON (dpa) - Staus, Abgase und zugeparkte Radwege sind in London Alltag für Radfahrer. Das steht im Gegensatz zum Image des Bürgermeisters, der sich als Radel-Politiker inszeniert. Jetzt könnte sich etwas ändern.
Mit dem Fahrrad durch London zu fahren ist nichts für schwache Nerven. Rote Doppeldeckerbusse, schwarze Taxis und weiße Lieferwagen verstopfen die Straßen. Radwege enden ohne erkennbaren Grund. Wartebereiche für Radler vor Ampeln ignorieren die Motorisierten hartnäckig. Dazu ist die Luft so mies, dass Atemschutzmasken weit verbreitet sind. Eine „Fahrradstadt“wie etwa Kopenhagen, Amsterdam oder Münster ist London derzeit beim besten Willen nicht – auch wenn der Bürgermeister das gern hätte.
Boris Johnson inszeniert sich als Radel-Politiker. Er lässt keine Gelegenheit aus, sich auf einem Zweirad ablichten zu lassen, und schenkte Prinz George (1) ein maßgeschneidertes Dreirad. „Boris Bikes“heißen Mieträder, die, ähnlich wie in Berlin, Hamburg oder Paris, an vielen Orten bereitstehen.
Johnson, seit 2008 Londons Bürgermeister, zählt das System zu seinen Erfolgen – auf den Weg gebracht hat sie allerdings sein Vorgänger. Im Frühjahr 2013 kündigte Johnson an, über zehn Jahre 913 Millionen Pfund (derzeit rund 1,3 Milliarden Euro) in die Rad-Infrastruktur zu stecken.
Zweispurige Radwege
Vier „Cycle Superhighways“führen zurzeit von Randbezirken ins Zentrum. In Deutschland würde man sie ganz normale Radwege nennen. Pläne für zwei baulich getrennte, zweispurige Radwege bekommen derzeit viel Aufmerksamkeit. Der längere der beiden soll als 29 Kilometer lange „Fahrrad-Autobahn“quer durchs Zentrum den Westen mit dem Osten verbinden – durch den Hyde-Park, am Buckingham-Palast vorbei sowie dem Parlament mit Big Ben. Wie man es vom charismatischen Bürgermeister erwartet hat, eröffnete er die erste Baustelle, indem er sich selbst in den Bagger setzte.
Bestimmte Bezirke sollen zu „Mini-Hollands“umgebaut werden und bekommen dafür Extrageld. Infra- struktur und Sicherheit im Verkehr sind auch Themen im derzeit tobenden Wahlkampf auf der Insel. Die politischen Parteien haben die Menschen ohne Auto als Zielgruppe entdeckt.
Der Schatten-Verkehrsminister der Labour-Partei etwa verspricht ei- ne Planungskommission, in der Radfahrer und Fußgänger sitzen sollen. Auch andere Metropolen bauen Radwege aus, etwa Paris oder New York.
Richtiger Schritt
Bei Londons Fahrrad-Lobbyisten, der London Cycling Campaign, ist man zufrieden: „Wir freuen uns, dass der Bürgermeister endlich sein Versprechen einlöst“, sagt Sprecherin Rosie Downes. „Bisher bestanden die Londoner 'Cycle Superhighways’ aus Streifen blauer Farbe, die keinen physischen oder rechtlichen Schutz geboten haben.“Die geplanten beiden Wege seien nicht perfekt, aber ein Schritt in die richtige Richtung.
Dass Touristen und Londoner ab Frühjahr 2016 wirklich ungefährdet quer durchs Zentrum radeln können, wollen viele noch nicht glauben. Derweil bieten schon kreativere Ideen Gesprächsstoff: Etwa unterirdische Radrouten in ungenutzten UBahn-Tunneln, 220 Kilometer Radstraßen auf Pfeilern hoch über dem Auto- und Schienenverkehr oder gar schwimmende Radwege auf der Themse.