Im Netz gefangen
In Dortmund startet eine Wohngruppe für mediensüchtige Jugendliche
ren oder den Tisch zu decken“, sagt Sozialarbeiter Alexander. „Sie sind es gewohnt, tage- und nächtelang im Netz Spiele zu spielen, im abgedunkelten Zimmer, in das manchmal jemand einen Teller Essen neben die Tastatur stellt.“
Gesunder Umgang mit Medien
Alltägliches – aber auch einen gesunden Umgang mit Medien üben Alexander und seine Kollegen mit den Bewohnern. Denn: „Medienabstinenz funktioniert nicht, internetfähige Geräte sind schließlich allgegenwärtig.“Und sie machen auch nicht grundsätzlich abhängig. Dennoch ist etwa ein Prozent der 14- bis 64-Jährigen in Deutschland mediensüchtig, wie eine repräsentative Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zeigt. Ingesamt sind mehr als eine halbe Million Menschen betroffen.
„Weil Kinder immer früher und stärker das Internet nutzen, wird die Zahl künftig eher höher“, vermutet Bert te Wildt, Leiter der Medienambulanz an der Uniklinik Bochum. „Digital Junkies“nennt er die Süchtigen in seinem Buch, das im Frühjahr erscheint. „Sie können nicht mehr ohne, brauchen immer mehr für einen Kick und verlieren die Kontrolle über ihr Leben.“
Online-Spiele, bei denen die auf der ganzen Welt vernetzten Spieler nur durch intensives Spielen „aufsteigen“, haben zum Beispiel hohes Suchtpotenzial, weil sie nie enden und stark mit Belohung arbeiten. Und wie Süchte nach Stoffen wirke auch Mediensucht auf das Belohnungszentrum im Gehirn, erklärt te Wildt. Einen Ausweg bieten könnten Einzel- und Gruppentherapien, bei denen Süchtige „ihr eigenes Ampelsystem lernen“, sagt der Psychiater: Bestimmte Medieninhalte sind rot, gelb oder grün – und damit ungefährlich. „Auch pädagogische Angebote oder Selbsthilfegruppen können dabei helfen.“
Offiziell als Krankheit anerkannt – und damit für Ärzte bei den Versicherungen abrechenbar – ist die Sucht aber trotz vorliegender Studien noch nicht, kritisiert Michael Knothe vom Fachverband Medienabhängigkeit. „Viele Therapeuten und Kliniken haben wegen des Bedarfs aber Angebote für Mediensüchtige entwickelt.“Auch in Suchtberatungsstellen werde das Thema bearbeitet, „die Nachfrage ist riesig“. Im Vergleich dazu herrsche eine klare Unterversorgung, sagt Knothe.