Noch nicht die Kurve bekommen
Usain Bolt läuft beim New Yorker Diamond-League-Meeting sein langsamstes Finale seit 2006
NEW YORK (SID/dpa) - Nach seinem nächsten enttäuschenden Auftritt wirkte selbst der immer so gut gelaunte Sprint-Superstar Usain Bolt nachdenklich und ratlos. „Das war eines der schlechtesten Rennen meiner Karriere, die Kurve war definitiv die schlechteste“, sagte der sechsmalige Olympiasieger aus Jamaika nach seinem schwachen 200-Meter-Lauf in New York: „Ich habe mich eigentlich gut gefühlt. Ich war glücklich, mein Trainer war glücklich – ich weiß einfach nicht, was los war. Ich würde es gerne erklären, aber ich kann es nicht.“
In 20,29 Sekunden, mehr als eine Sekunde langsamer als bei seinem Weltrekord, gewann der 28-Jährige zwar das Diamond-League-Meeting im „Big Apple“– seine Form aber gibt weiterhin Rätsel auf. In dieser Verfassung ist Bolt bei der WM in Peking Ende August nicht konkurrenzfähig; bei den Olympischen Spielen 2012 in London wäre er mit dieser Zeit lediglich auf Platz sieben gelandet. „Ich hatte mit einer Zeit von unter 20 Sekunden gerechnet. Er und sein Coach haben noch viel Arbeit vor sich“, erklärte der frühere 200-Meter-Weltmeister Ato Boldon (Trinidad und Tobago) als Experte beim US-Fernsehsender NBC.
Bis Peking möglichst viele Starts
Erste Spekulationen, er werde seine WM-Titel in der chinesischen Hauptstadt eventuell gar nicht erst verteidigen wollen, wies Bolt allerdings zurück. „Es ist zu früh, als dass jetzt die Alarmglocken angehen“, sagte Bolt, der sich bei Gegenwind nur knapp gegen seinen 19 Jahre jungen Trainingspartner Zharel Hughes von der Antilleninsel Anguilla durchsetzen konnte. Dem unumstrittenen Star der internationalen Leichtathletik droht allerdings ein weiteres verlorenes Jahr. In der vergangenen Saison kam er nach Verletzungen nie richtig in Tritt, dieses Jahr sollte alles besser werden. Bisher blieb es beim Vorsatz. „Es läuft nicht glatt“, sagte Bolt.
Auch die Rückkehr an die Stätte seines ersten großen Erfolges änderte daran nichts. Am 31. Mai 2008 hatte Bolt in New York seinen ersten Weltrekord (9,72 Sekunden über 100 Meter) aufgestellt – wenig später stieg er bei Olympia in Peking mit seinem Dreifach-Gold zum Superstar auf. Und jetzt? Ist nach seinem langsamsten Finale seit 2006 sogar ein Start bei den jamaikanischen Meisterschaften in zwei Wochen über die 200 Meter möglich. „Er wird in den nächsten zwei Monaten viel mehr Rennen laufen, mit einer aggressiveren Einstellung, um in Wettkampfform zu kommen“, kündigte Trainer Glen Mills an.
Zuletzt sorgte dessen Sportler in seiner Heimat vor allem mit einer „Party-Affäre“für Schlagzeilen – allerdings für negative. Seine Nachbarin in Kingston, Jodi Stewart-Henriques, Model und Ehefrau des Rappers Sean Paul, hatte sich medienwirksam über das nächtliche Treiben Bolts beschwert. „Er ist der ultimative Party-Clown“, hatte Stewart-Henriques erklärt. „Er ist ein schrecklicher Nachbar.“Wummernde Bässe, grölende Gäste und verstopfte Stra- ßen hatten sie zur Weißglut gebracht. Wenig später entschuldigte sie sich allerdings für ihre Äußerungen.
Beruhigt dürfte Bolts größter Rivale Justin Gatlin dessen Auftritte auf und neben der Bahn zur Kenntnis genommen haben. Der zweimal wegen Dopings gesperrte US-Athlet läuft derzeit in einer anderen Liga und ist seit mittlerweile 21 Rennen unbesiegt. Sowohl über 100 Meter (9,74) als auch über 200 Meter (19,68) ist Gatlin in diesem Jahr der schnellste Mensch der Welt. Und er scheint derzeit nicht zu schlagen zu sein – im Gegensatz zu Usain Bolt.