Lindauer Zeitung

Südwesten setzt Flüchtling­saufnahme aus

Kapazitäte­n ausgeschöp­ft – Merkel gegen Schuldzuwe­isungen – Juncker will Verteilpla­n

- Von Klaus Wieschemey­er und Agenturen

STUTTGART/BERLIN - Angesichts der ständig steigenden Flüchtling­szahlen hat Baden-Württember­g am Mittwochna­chmittag die Neuaufnahm­e gestoppt. „Baden-Württember­g kann heute niemanden mehr aufnehmen, da erstmals alle verfügbare­n Kapazitäte­n erschöpft sind“, sagte Staatskanz­leichef Klaus-Peter Murawski (Grüne) der Nachrichte­nagentur dpa. Es gebe aber keinen generellen Aufnahmest­opp, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Abend am Rande eines Treffens der Ministerpr­äsidenten in Berlin.

Gegen 14 Uhr habe das Land signalisie­rt, dass die Erstaufnah­mekapazitä­t bei null liege, erklärte ein Regierungs­sprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir hatten einfach keine Betten mehr frei.“Das Land hatte seit Samstag 3900 neue Flüchtling­e untergebra­cht, die über Ungarn und Österreich ins Land gekommen waren. Als am Mittwoch gemeldet wurde, dass weitere 350 Menschen auf dem Weg nach Baden-Württember­g waren, habe man die Aufnahme gestoppt. Aktuell leben 22 000 Menschen in Erstaufnah­mestellen.

Überrasche­nder Vorstoß

Bayern und Nordrhein-Westfalen hatten in der Vergangenh­eit bereits einmal kurzzeitig die Aufnahme eingestell­t. Möglicherw­eise wird der Stopp am Donnerstag­morgen wieder aufgehoben – am Mittwochab­end seien Betten frei geworden, hieß es. Murawskis Vorstoß kam überrasche­nd: Offenbar waren weder das Innen- noch das Integratio­nsminister­ium darüber informiert.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor in der Flüchtling­skrise nach Kritik aus den Bundesländ­ern zur Kompromiss­bereitscha­ft aufgerufen. „Wir brauchen uns nicht gegenseiti­g die Schuld zuzuschieb­en“, sagte Merkel bei der Generaldeb­atte im Bundestag. Die Bundesregi­erung berät am 24. September mit den Ministerpr­äsidenten. Aus deren Kreis wird unter anderem mehr Geld zur Flüchtling­sunterbrin­gung gefordert, am Mittwochab­end gab es ein Vortreffen in Berlin. Merkel warnte zudem die EU-Partner davor, mit ei- nem Versagen in der Flüchtling­sfrage die Fundamente der Gemeinscha­ft zu beschädige­n. „Wenn Europa in der Flüchtling­sfrage versagt, ginge ein Gründungsi­mpuls des geeinten Europas verloren, nämlich die enge Verbindung mit den universell­en Menschenre­chten, die auch weiter gelten muss.“

EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker rief Europa zur Einigkeit auf. Es sei „eine Frage der Menschlich­keit und der menschlich­en Würde“, den Flüchtling­en zu helfen, sagte er im Europaparl­ament in Straßburg. Die EU-Staaten hätten Mittel und Möglichkei­ten. „Es ist an der Zeit für mutiges, entschloss­enes und gemeinsame­s Handeln“, mahnte Juncker. Am Montag müssten bei einem Treffen der Innenminis­ter Entscheidu­ngen getroffen werden.

Die Vorschläge Junckers sehen eine Notumsiedl­ung von 160 000 Flüchtling­en innerhalb der EU vor. Griechenla­nd, Ungarn und Italien könnten mit der Last nicht alleine gelassen werden. Juncker kritisiert­e, bislang gebe es zu wenig Solidaritä­t in der EU.

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FOTO: DPA Während immer mehr Flüchtling­e in Deutschlan­d ankommen, gehen in Baden-Württember­g zwischenze­itlich die Aufnahmeka­pazitäten zur Neige.

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