Lindauer Zeitung

Suizidpräv­ention: Jugendlich­e Ehrenamtli­che gesucht

Nelli Wilhelm ist zuständig für neues Caritas-Projekt „U25“– Angebot für suizidgefä­hrdete Jugendlich­e

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rin Susanne Barth, die ihren Sohn vor sechs Jahren durch Suizid verloren hat. Sie war es auch, die gemeinsam mit Martha Wahl, Fachärztin für Psychiatri­e und Leiterin der Agus-Gruppe (Angehörige um Suizid), und Schulsozia­larbeiteri­n Kerstin Lott vom Berufsschu­lzentrum für „U25“gekämpft hat.

„U25“ist ein Herzensanl­iegen

„Das ist auch unser Beitrag dafür, das Thema Suizid endlich aus der Tabuzone zu holen. Es ist so wichtig, ein passendes Beratungsa­ngebot für Jugendlich­e zu schaffen“, sagt Susanne Barth. „,U25’ ist für mich ein Herzensanl­iegen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auch meinem Sohn hätte helfen können.“Sie weiß aber auch, dass man nicht allen helfen kann: „Aber dennoch muss man alles tun, was man kann.“Jährlich kommen bei Verkehrsun­fällen in Deutschlan­d etwa 4000 Menschen ums Leben, 10 000 durch Suizid. Im Jahr 2013 waren es 930 Menschen unter 25 Jahren. „Die Zahlen sind un- glaublich hoch, das wissen die wenigsten“, sagt Barth. Projektlei­terin Nelli Wilhelm ist überzeugt: „,U25’ rettet Leben.“Die 24-Jährige war während ihres Studiums in Freiburg mehr als zwei Jahre als „Peer“bei „U25“in Freiburg tätig und hat dort einiges gelernt, auch über sich selbst. „Peer“kommt aus dem Englischen und bedeutet Gleichgest­ellter, Ebenbürtig­er, und genau nach diesem Prinzip arbeitet „U25“.

Das Projekt ist ein kostenlose­s und anonymes reines E-Mail-Beratungsa­ngebot für suizidgefä­hrdete Jugendlich­e. Die Vorteile dieses Ansatzes liegen in den drei Grundprinz­ipien: in der Anonymität, der Niedrigsch­welligkeit und in der Tatsache, dass das Internet das von Jugendlich­en vorwiegend genutzte Medium ist. Beantworte­t werden die E-Mails nach dem sogenannte­n Peerprinzi­p. Peerberatu­ng bedeutet, dass die Ratsuchend­en bei „U25“von etwa gleich alten Jugendlich­en beraten werden. Diese werden in einer sechsmonat­igen Ausbildung umfassend auf die Beratungst­ätigkeit vorbereite­t. Was ganz wichtig ist: Die E-Mails werden immer vom hauptamtli­chen Teamleiter gegengeles­en bevor sie verschickt werden. Die Caritasreg­ion Biberach-Saulgau ist neben Berlin, Dresden, Freiburg, Gelsenkirc­hen und Hamburg der sechste Standort in Deutschlan­d. „Wir brauchen ein Angebot im ländlichen Raum, der Bedarf ist da“, sagt Peter Grundler. „Pro Jahr gibt es in der Region acht bis zehn Jugendlich­e, die sich suizidiere­n. Wir hatten 2014 etwa 140 Anfragen, die dokumentie­rt wurden.“Die Dunkelziff­er sei natürlich in diesem Bereich sehr hoch, denn nur die wenigsten mit Selbsttötu­ngsgedanke­n vertrauen sich jemandem an.

„Ich freue mich sehr, dass es jetzt endlich losgeht“, sagt Nelli Wilhelm, die Soziale Arbeit studiert hat. „Jetzt brauchen wir nur noch etwa zehn Jugendlich­e, die sich für das Projekt interessie­ren und Lust haben, sich ehrenamtli­ch zu engagieren.“Sie hat den Schritt zu „U25“nie bereut: „Natürlich ist es manchmal nicht so leicht, mit dem Thema Suizid umzugehen, aber man kann wirklich vielen Jugendlich­en helfen“, sagt Wilhem.

„Ich habe oft Danke-E-Mails bekommen mit den Worten: ,Du hast mein Leben gerettet.’ Und dafür lohnt sich jede Mühe.“Das Projekt ist für drei Jahre finanziert. Die Beteiligte­n hoffen natürlich, dass es auch danach weitergeht.

Unterstütz­t wird das Projekt der Caritas finanziell durch die Weihnachts­aktion 2014 der „Schwäbisch­en Zeitung“, von der Bürgerstif­tung Biberach, der Bruno-Frey-Stiftung, der Volksbanks­tiftung Ulm-Biberach, der Veronika-Stiftung, der Stiftung Kinder in Not und vielen Einzelspen­den.

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FOTO: TANJA BOSCH Nelli Wilhelm ist seit 1. September für den neuen „U25“-Standort in Biberach zuständig.

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