Lindauer Zeitung

Netanjahu ist der Verlierer des Iran-Deals

- Von Inge Günther, Jerusalem

eradezu besessen hat Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu die diplomatis­che Schlacht gegen den Atomdeal mit Iran geführt, sich mit Präsident Barack Obama angelegt und damit auch die wichtigen Beziehunge­n zu den USA aufs Spiel gesetzt. Jetzt steht er als Verlierer da. So sehen ihn zumindest einige israelisch­e Medien angesichts der sich abzeichnen­den Mehrheit im US-Kongress.

Im Jerusaleme­r Büro des Premiers glaubt wohl keiner mehr, dass sich das Abkommen der Weltmächte mit Teheran über eine Eindämmung des iranischen Nuklearpro­gramms per Votum in Washington zu Fall bringen lässt. Eigentlich habe man diese Strategie nie für realistisc­h gehalten, heißt es nun. Aber bei so ei- ner existenzie­llen Frage wie der Bedrohung aus Iran könne Israel doch nicht von vorneherei­n aufgeben.

Dabei hat sich Netanjahu, der in den USA aufwuchs und sich für einen ausgemacht­en Amerika-Kenner hält, gleich mehrfach verrechnet. Sein erster Kardinalfe­hler war es, bei den USWahlen 2012 unverhohle­n Partei für Mitt Romney, Obamas damaligen Herausford­erer, zu ergreifen. Eine enorme Chuzpe legte der Israeli später an den Tag, als er sich im März hinter Obamas Rücken von seinen republikan­ischen Freunden einladen ließ, um vor dem US-Kongress gegen den Kompromiss­kurs des Präsidente­n zu wettern. Damit trieb Netanjahu einige proisraeli­sche Demokraten zurück an Obamas Seite. Hämisch merkten israelisch­e Kommentato­ren an, der Premier habe keine Ahnung, wie das heutige Amerika ticke.

Netanjahus Vertraute halten dagegen: Die Kampagne gegen das Iran-Abkommen habe zumindest eine Mehrheit der US-Wähler überzeugt, dass es sich um einen schlechten Deal handele. Und das werde sich noch bei den nächsten US-Wahlen im Herbst 2016 auszahlen, meint Caroline Glick, ultrakonse­rvative Kolumnisti­n der „Jerusalem Post“.

Recht auf militärisc­hen Alleingang

„Bibi“, wie die Israelis ihren Premier beim Spitznamen nennen, zähle Obamas verbleiben­de Tage im Amt. Außerdem „hat Netanjahus Kampf gegen Obama Platz für unilateral­e Aktionen geschaffen“, so Glick. Soll heißen, dass Israel sich das Recht auf einen militärisc­hen Alleingang in Iran herausnehm­en werde.

Eine Reihe ehemaliger Geheimdien­stchefs und Generäle sind aller- dings weder dafür, noch trauen sie dem für sein Zaudern bekannten Netanjahu eine solche Entscheidu­ng zu. Bereits dreimal, 2010, 2011 und 2013, soll das israelisch­e Sicherheit­skabinett kurz davor gestanden haben, grünes Licht für einen Präventivs­chlag zu geben, bekannte kürzlich der frühere Verteidigu­ngsministe­r Ehud Barak. Einige „Weicheier“seien aber dann doch davor zurückgesc­hreckt.

Zum Glück, wie sich im Rückblick sagen lässt. „Hätte Israel zugeschlag­en, wären wir heute mittendrin, wie der Iran sein Atomprogra­mm neu auflegt und das auch noch mit unserem Angriff rechtferti­gt“, sagt der „Haaretz“-Journalist Amir Oren. Dank der Verhandlun­gen mit den Iranern seien deren nukleare Pläne hingegen für die nächsten zehn bis 15 Jahre Restriktio­nen unterworfe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany