Einige Zugvögel fliegen nicht gen Süden
Die Tiere finden in den Großstädten viel Futter – Manche Populationen teilen sich auf
BERLIN (dpa) - Früh aufstehen und in die Luft gucken könnte sich in den kommenden Tagen und Wochen lohnen: Zugvögel sind vor allem morgens gut zu sehen – auf dem Weg in wärmere Gefilde, wo die Suche nach Insekten und Samen leichter ist.
„Insektenfresser wie Rohr- und Laubsänger, Grasmücken und Schwalben finden nur im Frühjahr und Sommer genug Futter“, sagt der Vogelkundler Peer Cyriacks von der Deutschen Wildtierstiftung mit Blick auf unsere Breiten. Von den rund 250 Vogelarten, die in Deutschland brüten, sind etwa die Hälfte Zugvögel, nimmt der Naturschutzbund (Nabu) an. „Die klassischen Zugvögel wie Schwalben sieht man im Winter nicht in Deutschland“, sagt der Verhaltensbiologe Jörg Böhner von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Berlin.
Weil es einige Winter in Folge mild war, ersparen sich manche Vogelarten den kräftezehrenden Weg inzwischen aber teilweise oder ganz. Gerade in Städten müssen Vögel im Winter nicht Hunger leiden: Nicht nur sei die Temperatur für Vögel angenehmer, auch gebe es seltener eine geschlossene Schneedecke, was die Nahrungssuche vereinfacht. Daran, dass immer Nahrung verfügbar sei, habe sich etwa die Mönchsgrasmücke gewöhnt. Vogelhäuschen tragen ihr Übriges dazu bei.
„Es ist bei vielen Vogelarten so, dass ein paar dableiben und ein paar wegziehen“, sagt der Nabu-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. Die Populationen dieser Teilzieher entwickelten sich entsprechend der jeweiligen Bedingungen: Seien in Mitteleuropa mehrere Winter in Folge mild, profitiere die Gruppe, die bleibe, und andersherum.
Bei Kranichen etwa habe sich die Zahl der „Dableiber“in Deutschland innerhalb weniger Jahre dramatisch erhöht, sagt Lachmann: Ging man 2012 noch von 1000 Kranichen aus, schätze man die Zahl inzwischen auf 30 000. „Kraniche ziehen zudem immer kürzere Strecken.“Das liege aber nicht nur am wärmeren Klima. Auch die gestiegene Zahl der Maisfelder in unseren Breiten biete nach der Ernte genug Vogelfutter.
Der Trieb zum Zug sei den Vögeln je nach Art angeboren, sagt Ornithologe Peer Cyriacks. Dabei seien die Flugstrategien der Arten „höchst unterschiedlich“. Einige machen sich früher, andere später auf den Weg. Manche fliegen ohne Zwischenstopp und auf dem kürzesten Weg, andere bevorzugen Strecken über Land. Wie gut sich die Vögel im relativ trockenen Sommer Fettpölsterchen für ihre Reise anfuttern konnten, lasse sich nicht pauschal beantworten, meint Böhner: „Manche Vögel haben womöglich auch profitiert, weil sie sich von Insekten ernähren, die es trocken mögen.“