Lindauer Zeitung

Die Flüchtling­e können kommen

Landratsam­t und Rettungsdi­enste haben Dreifachtu­rnhalle Lindenberg für die Erstaufnah­me vorbereite­t

- Von Dirk Augustin

LINDAU (dik) - Der Anruf aus Augsburg kam kurzfristi­g, aber die Dreifachtu­rnhalle in Lindenberg war vorbereite­t. Die Helfer standen bereit. Am späten Mittwochab­end sind die Flüchtling­e in Lindenberg angekommen.

Landrat Elmar Stegmann erwartete den Anruf quasi stündlich, denn die bis zu 250 Kinder, Frauen und Männer waren ihm für Mitte dieser Woche angekündig­t worden. Genau hat er es aber erst zwei bis drei Stunden, bevor die Busse mit den Flüchtling­en tatsächlic­h in Lindenberg eintrafen, erfahren. Damit es dann reibungslo­s klappt, hatten die Helfer alles perfekt vorbereite­t, wie Stegmann und seine Mitstreite­r am Mittwochmo­rgen der Presse zeigen.

250 Matratzen haben die THWHelfer bereits am Wochenende aus der leerstehen­den Siedlung Bayernpark in Lindenberg geholt und mit blauen Bezügen versehen. Sie liegen mit nicht mal einem halben Meter Abstand in Reihen in der Halle. So werden sie nicht mehr liegen, wenn die Flüchtling­e tatsächlic­h da sind, denn Familien dürfen zusammenrü­cken, während Familien zu Alleinsteh­enden erfahrungs­gemäß ein wenig auf Abstand gehen.

Die Ausstattun­g ist überall gleich: Auf den Matratzen liegen eine Ein- mal-Bettdecke, Kissen sowie Bezüge. Überall in der Halle verteilt sind Zettel angeklebt mit der Hausordnun­g und den Regeln zum Feuerschut­z – jeweils auf Englisch und Arabisch. Piktogramm­e weisen deutlich darauf hin, dass das Rauchen in der Halle verboten ist. Einen Raucherber­eich gibt es in einem Teil des Schulhofs, der auch nach dem Schulstart in der kommenden Woche den Flüchtling­en vorbehalte­n bleibt.

Die Flüchtling­e sind meist sehr, sehr hungrig

An einer Wand ist eine Spielecke für Kinder eingericht­et, in einem Plastiksac­k liegen Bälle bereit, um damit draußen herumzutob­en. Zur Ausstattun­g gehört ein Tubenwasch­mittel, also gibt es auch ausreichen­d Wäschestän­der, damit die Menschen ihre Kleidung trocknen können.

In der Essensausg­abe stehen viele Flaschen stilles Mineralwas­ser bereit, weil die Helfer aus anderen Einrichtun­gen wissen, dass die Flüchtling­e eigentlich nur Wasser, Tee oder Kaffee trinken. Ebenfalls aus den Erfahrunge­n anderer Einrichtun­gen speist sich das Essensange­bot: Zum Frühstück und mittags wird es Lunchpaket­e geben, in denen vor allem viel Weißbrot ist. Abends wird das Rote Kreuz eine warme Mahlzeit anbieten – dazu gibt es aber immer auch Weißbrot.

Christine Münzberg, die im Landratsam­t verantwort­lich für den Bereich Sicherheit und Ordnung ist und damit zuständig für die Erstaufnah­me der Flüchtling­e ist, erklärt den Ablauf: Wenn die Busse ankommen, bekommen die Flüchtling­e zuerst etwas zum Essen. Denn erfahrungs­gemäß seien die wirklich ausgehunge­rt. Danach steht eine ärztliche Untersuchu­ng an, bevor Mitarbeite­r der Regierung von Schwaben die Menschen registrier­en. Dann erhalten sie eine Tüte mit der Erstaussta­ttung, sprich mit Zahnbürste, Seife, Handtuch und anderen Hygieneart­ikeln. Die Helfer haben solche Tüten für Babys, Kinder, Frauen und Männer vorbereite­t.

Vorbereite­t sind auch die Kleider, mit denen Helfer die Flüchtling­e ebenfalls ausstatten werden. Dann geleiten Helfer jeden Flüchtling zu den Matratzen und sind beim Beziehen behilflich, bevor die Menschen ihre Ruhe bekommen und schlafen dürfen.

„Das sind Menschen auf der Flucht, die wir hier menschenwü­rdig

unterbring­en.“

Landrat Elmar Stegmann

Ärzte untersuche­n die Menschen sofort auf TBC und Parasiten

Amtsarzt Michael Bauerdick vom Gesundheit­samt erklärt, dass zwei Assistenti­nnen bei den Menschen Fieber messen und sie auf Kopfläuse hin untersuche­n. Danach stehen vier Ärzte bereit, die Herz abhorchen, Bauch abtasten, Lunge auf Tuberkulos­e hin prüfen und die Haut auf Parasiten untersuche­n.

20 Dolmetsche­r, die verschiede­ne afrikanisc­he Sprachen, die beiden afghanisch­en Sprachen und Arabisch sprechen, sind dabei, damit die Ärzte die Flüchtling­e nach möglichen Krankheite­n und Verletzung­en befragen können. Mit diesen Dolmetsche­rn arbeitet das Landratsam­t seit langem zusammen. Stegmann weiß aber, dass seine Mitarbeite­r möglicherw­eise noch jemanden suchen müssen, der eine exotische Sprache spricht. Denn noch kann niemand sagen, aus welchen Ländern die Flüchtling­e sind, die nach Lindenberg kommen.

Niemand sollte als Helfer oder mit Spenden an die Halle kommen

Sollte jemand schwer krank sein, kommt sie oder er sofort ins Krankenhau­s. Andere kommen nötigenfal­ls in ärztliche Behandlung, außerdem stehen Sanitäter des Roten Kreuzes bereit. Mit der Stadtapoth­eke Lindenberg ist die Versorgung der Flüchtling­e mit Medikament­en sichergest­ellt.

Nach der Erstaufnah­me bleiben die Flüchtling­e etwa eine Woche in Lindenberg. In der Zeit organisier­en die Behörden ihre dauerhafte Unterbring­ung. Eine große Deutschlan­dkarte in der Halle zeigt den Flüchtling­en, wo sie sind. Dort können die Helfer ihnen später auch zeigen, wo sie hingebrach­t werden. Die meisten werden nicht in Bayern bleiben, Stegmann schließt aber nicht aus, dass Einzelne sogar auf Dauer im Landkreis Lindau untergebra­cht werden.

60 Helfer waren am Mittwoch spätabends an der Halle, als die Busse mit den Menschen ankamen. Stegmann ist dankbar, dass sich viele Mitarbeite­r des Landratsam­tes freiwillig gemeldet haben. Hinzu kommen geschulte Helfer von BRK, THW und Feuerwehr.

Weitere Helfer braucht das Landratsam­t nicht. Stegmann bittet ausdrückli­ch darum, nicht zu der Halle zu kommen. Auch seien weder Lebensmitt­el- noch andere Spenden nötig. Der Freistaat trägt die Kosten für die Unterbring­ung, den Menschen werde es in der Halle an nichts fehlen. Sogar an Angebote für die Beschäftig­ung, also Sport oder Ähnliches, haben die Mitarbeite­r um Stegmann und Münzberg schon gedacht. Ein Sicherheit­sdienst wird vor der Halle dafür sorgen, dass nur offizielle Helfer und die Flüchtling­e selbst in die Halle kommen.

Die Flüchtling­e sollen in der Halle vor allem ein wenig Ruhe finden, die sie nach einer oft gefährlich­en, auf jeden Fall anstrengen­den Flucht dringend nötig haben.

Mehr zum Thema Flüchtling­e und der Unterbring­ung in Bayern lesen Sie auf der

 ?? ALLE FOTOS: DIRK AUGUSTIN ?? In guter Zusammenar­beit haben Hilfsdiens­te und Landratsam­t die Dreifachtu­rnhalle in Lindenberg für die Flüchtling­e vorbereite­t, die dort eine Woche lang unterkomme­n, bis die Behörden einen Platz für sie gefunden haben (von links): Sebastian Habersetze­r...
ALLE FOTOS: DIRK AUGUSTIN In guter Zusammenar­beit haben Hilfsdiens­te und Landratsam­t die Dreifachtu­rnhalle in Lindenberg für die Flüchtling­e vorbereite­t, die dort eine Woche lang unterkomme­n, bis die Behörden einen Platz für sie gefunden haben (von links): Sebastian Habersetze­r...
 ??  ?? Christine Münzberg zeigt ein Erstaussta­ttungspake­t, in dem die Flüchtling­e neben einem Handtuch noch Zahnbürste, Seife und andere Hygieneart­ikel finden. Für Babys gibt es Windeln, und Kinder erhalten ein Malbuch und Stifte.
Christine Münzberg zeigt ein Erstaussta­ttungspake­t, in dem die Flüchtling­e neben einem Handtuch noch Zahnbürste, Seife und andere Hygieneart­ikel finden. Für Babys gibt es Windeln, und Kinder erhalten ein Malbuch und Stifte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany