Ein Wechsel der Krankenkasse will wohlüberlegt sein
Leser fragen Experten bei Telefonaktion der „Schwäbischen Zeitung“zum Thema Krankenversicherung
RAVENSBURG (sz) - Wegen des individuellen Zusatzbeitrages kann sich für Kassenmitglieder der Wechsel von einer zur anderen gesetzlichen Krankenkasse lohnen. Doch sollte dieser Schritt wohlüberlegt sein. Das gilt ebenso für den Wechsel zwischen gesetzlicher und privater Krankenkasse sowie zwischen den einzelnen Gesellschaften. Zu allen Aspekten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung informierten unsere Leser am SZ-Telefon: Peter Klipp von der Stiftung Warentest/Finanztest, Thomas Junker vom Verband der privaten Krankenversicherung sowie Stefan Schwanz von der AOK Bodensee-Oberschwaben. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:
Ich werde im Sommer Altersrentnerin. Was muss ich tun, um in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert zu werden? Muss ich mich wegen der Rente bei der Krankenkasse melden?
Nein, in dem Moment, in dem Sie beim Bürgermeisteramt den Rentenantrag stellen, wird Ihre Krankenkasse automatisch verständigt. Ob Sie pflichtversichert werden, können Sie jetzt nicht mehr beeinflussen. Entscheidend ist Ihr bisheriges Versicherungsverhältnis während des Erwerbslebens. Um Pflichtmitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) zu werden, müssten Sie in der zweiten Hälfte Ihres Berufslebens zu 90 Prozent gesetzlich versichert gewesen sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie zuvor gesetzliches Pflichtmitglied waren oder beitragsfrei im Rahmen der Familienversicherung oder freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenkassen. Erreichen Sie diese 90 Prozent nicht, werden Sie freiwilliges Mitglied bei Ihrer Krankenkasse.
Nach Auskunft meiner Krankenkasse werde ich als künftiger Rentner freiwillig versichert sein. Welche Rolle spielen dann meine Einkünfte aus unserer Fotovoltaikanlage?
Die Beitragsberechnung für pflichtversicherte oder freiwillig versicherte Mitglieder der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ist unterschiedlich. Alle gesetzlich Versicherten zahlen auf die Altersrente derzeit 7,3 Prozent plus Zusatzbeitrag je nach Kasse. Weitere 7,3 Prozent legt der Rentenversicherer drauf – unabhängig davon, ob Sie freiwillig oder gesetzlich versichert sind. Im Unterschied zu den Pflichtversicherten müssen freiwillig Versicherte zusätzlich auf alle anderen Einkünfte wie etwa private Rentenoder Lebensversicherungen, Zinsen und Mieteinnahmen den Kassenbeitrag zahlen - ohne einen Anteil vom Rentenversicherungsträger. Ihre Einnahmen aus der Fotovoltaikanlage werden zur Beitragsberechnung vollständig herangezogen, weil sie Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit sind.
Wie viel muss ich als künftige freiwillig versicherte Rentnerin für die gesetzliche Krankenversicherung aufwenden? Meine Rente beträgt rund 1200 Euro monatlich, hinzu kommen noch Zinseinnahmen.
Bei einer freiwilligen Versicherung wird Ihnen mindestens ein Einkommen von derzeit rund 970 Euro monatlich unterstellt. Bei Ihnen fällt die Rente jedoch höher aus. Entsprechend zahlen Sie einkommensabhängig Ihren Beitrag wie Pflichtversicherte auch. Nebeneinkommen – etwa aus einer Versicherung oder Mieteinnahmen – sind beitragspflichtig. Entsprechend müssen Sie auch auf Ihre Zinsen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen – anders als pflichtversicherte Rentner.
Warum muss ich als pflichtversicherter Rentner eine Einkommensanfrage meiner Krankenkasse beantworten?
Freiwillig Versicherte bei der KVdR müssen jährlich Ihre sämtlichen Einkünfte offenlegen. Auch pflichtversicherte Rentner werden befragt, weil sie eine Betriebsrente und/oder eine Rente vom ehemaligen Arbeitgeber beziehen oder Arbeitseinkommen haben könnten. Beides ist voll beitragspflichtig.
Ich beziehe demnächst neben meiner Altersrente noch eine Betriebsrente und eine Rente vom ehemaligen Arbeitgeber aus der Schweiz. Alle Renten sind krankenversicherungspflichtig. Gibt es eine Obergrenze, bis zu der ich Beiträge zur Krankenkasse zahlen muss?
Ja, diese Grenze heißt Beitragsbemessungsgrenze. Für Einkünfte, die über dieser Grenze liegen, müssen Sie keinen Beitrag mehr zahlen. Diese Grenze liegt in diesem Jahr bei 4237,50 Euro.
Die Beiträge zu meiner privaten Krankenversicherung erscheinen mir zu hoch. Habe ich Anspruch auf einen anderen Tarif bei meiner Versicherung?
Ja, diesen Anspruch haben Sie sogar laut Versicherungsvertragsgesetz, Paragraf 204. Danach ist Ihre Versicherungsgesellschaft verpflichtet, Ihnen Alternativen aufzuzeigen – etwa durch einen günstigeren Tarif, durch die Erhöhung Ihres Selbstbehaltes oder durch den Wegfall bestimmter Leistungen – etwa der Unterbringung im Einbett- oder Zweibettzimmer. Seit Januar 2016 gibt es zudem vom Verband der privaten Krankenversicherer einen neuen, sogenannten „Tarifwechsel-Leitfaden“. Alle teilnehmenden Gesellschaften verpflichten sich damit, ihre Kunden transparent über günstigere Tarife zu informieren.
Ich bin schon seit vielen Jahren privat krankenversichert und muss jetzt höhere Beiträge zahlen. Empfehlen Sie mir, die Versicherungsgesellschaft zu wechseln?
Nein, in der Regel empfiehlt sich das bei langjährig privat Versicherten nicht. Denn Sie können Ihre angesparten Alterungsrückstellungen nicht in die neue Gesellschaft mitnehmen. Das würde sich im Alter ungünstig auf Ihre Beiträge auswirken. Bedenken Sie außerdem, dass Sie bei der neuen Versicherungsgesellschaft eine Gesundheitsprüfung absolvieren müssen und wegen eventueller Vorerkrankungen abgelehnt werden könnten. Besser ist es, Sie fragen offensiv bei Ihrer Gesellschaft nach günstigeren Tarifen.
Mein Sohn ist 33 Jahre, war jetzt einige Jahre freiberuflich tätig und in dieser Zeit privat versichert. Kann er in die gesetzliche Krankenkasse zurückkehren?
In seinem Alter geht das, aber nur, wenn er seine hauptberufliche Selbstständigkeit vollständig aufgibt. Angestellte darf er dann auch nicht haben. Eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht entsteht wieder, wenn er einen Job findet, der mit über 450 Euro monatlich vergütet wird.
Ich war bisher selbstständig, bin privat krankenversichert und 56 Jahre alt. Habe ich die Möglichkeit, zur gesetzlichen Krankenversicherung zurückzukehren und über meine Frau familienversichert zu sein, weil ich so gut wie keine Einnahmen habe?
Ja. Die Möglichkeit zur Familienversicherung funktioniert aber nur, wenn Sie so gut wie kein Einkommen haben – also unter 450 Euro monatlich liegen. Theoretisch könnten Sie noch ins Ausland, zum Beispiel nach Österreich, und dort eine Tätigkeit aufnehmen, die in die gesetzlichen Krankenversicherung des jeweiligen Landes führt. Wenn Sie dann zurückkehren, könnten Sie in Deutschland gesetzlich krankenversichert bleiben.
Ich bin angestellt, verdiene über der Beitragsbemessungsgrenze und habe mich privat krankenversichert. Ab April bekomme ich Elterngeld für sechs Monate. Stimmt es, dass ich mich dadurch jetzt wieder gesetzlich krankenversichern kann?
Ja, weil allein der monatliche Bezug des Elterngeldes betrachtet wird – und nicht das Jahreseinkommen. Und durch den Bezug des Elterngeldes rutschen Sie wieder unter die Versicherungspflichtgrenze von 56250 Euro jährlich und werden gesetzlich versicherungspflichtig. Sie befinden sich in einer günstigen Situation und haben zwei Optionen: Zum einen können Sie auf die Versicherungspflicht förmlich verzichten – und bleiben dann privat krankenversichert, das gilt dann aber für das gesamte Leben. Oder aber Sie stellen als zweite Option Ihren Privatvertrag ruhend, halten die Anwartschaft aufrecht und entscheiden nach Ablauf der Elternzeit, ob Sie gesetzlich oder privat versichert sein wollen – vorausgesetzt Ihr Einkommen lässt das dann zu. Mit der Anwartschaft können Sie zu den Privaten zuückkehren, ohne sich erneut Gesundheitsfragen unterziehen zu müssen.
Ich bin Rechtsreferendarin, mein Referendariat läuft Ende April aus. Wie geht es jetzt mit meiner Krankenversicherung weiter? Im Oktober will ich mich für meine Promotion immatrikulieren.
Wir empfehlen Ihnen, sich jetzt arbeitslos zu melden, damit Sie bei Bezug von Arbeitslosengeld eins entsprechend krankenversichert sind. Mit der Immatrikulation können Sie wieder in die studentische Krankenversicherung zurück.
Ich hatte jahrelang eine Direktversicherung. Jetzt wird mir das Kapital ausgezahlt und ich muss darauf Sozialversicherungsbeiträge abführen. Das wissen viele Leute nicht – und müsste unbedingt öffentlich bekannt gemacht werden!
Diese Regelung – leider ohne Bestandsschutz – gilt bereits seit 2005. Verschiedene Betroffene haben dagegen geklagt und sind durchweg gescheitert. Es bleibt die Festlegung, dass sämtliche Einkünfte aus betrieblicher Altersversorgung zu einhundert Prozent beitragspflichtig sind – für die Kranken- und die Pflegeversicherung.