Mit Pauken und Trompeten
Das Heeresmusikkorps Ulm feiert Jubiläum – Militärische Zeremonien und Konzerte seit 60 Jahren
ULM - „Und denkt mir an die Musik!“Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) hatte persönlich wenig Bezug zum Militär. Beim Aufbau der Bundeswehr in den 1950er-Jahren allerdings achtete der „Alte“darauf, dass die neue Armee auch musikalisch vorzeigbar war: Die Gründung der Musikkorps war beschlossen. Seit genau 60 Jahren ist auch das Ulmer Korps für den guten Ton im grauen Rock zuständig.
„Wir haben 130 oder sogar 140 Auftritte pro Jahr“, berichtet der Leiter des Ulmer Korps, Oberstleutnant Matthias Prock, von der Arbeit seiner Soldaten, „80 Zeremonien der Truppe wie Gelöbnisse oder Kommandoübergaben und 35 Konzerte.“Vorwiegend in Bayern und BadenWürttemberg sind die 60 Musiker unterwegs, spielen meist vor ausverkauftem Haus. Die durch das Musikkorps erspielten Reinerlöse werden grundsätzlich einem wohltätigen Zweck zugeführt. Hinzu kommen traurige Anlässe: Bei der Beisetzung verstorbener Soldaten erklingt das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden ...“.
Die Geschichte der Militärmusik beginnt mit den „Posaunen von Jericho“, die nach biblischem Zeugnis die Mauern jener Stadt zum Einsturz gebracht haben sollen. Durch Musik sollte später der Gegner demoralisiert werden. Oder die Moral der eigenen Truppe wurde durch Rhythmus und Takt stabilisiert. Ganz praktisch mussten Militärmusiker auch Signale und Meldungen über weite Entfernungen rasch übermitteln: Immer spielte die Musik eine wichtige Rolle. Nicht zu vergessen: die Märsche.
Großes Repertoire
„Natürlich spielen wir Märsche, wir spielen sie gerne“, sagt Oberstleutnant Prock, „aber wir haben ein viel größeres Repertoire.“Das Spektrum reicht bis zum Bigband-Sound, Rock, Pop und Jazz. So sind die Soldaten bei der musikalischen Gestaltung von Konzerten mit dem großen symphonischen Blasorchester, der Umrahmung von Festveranstaltungen und Feiertagen, mit Unterhaltungsmusik im Rahmen von Truppenbetreuung durch die „Egerländer-Besetzung“sowie den Einsatz verschiedener Kammermusikbesetzungen gefragt. 14 Musikkorps leistet sich die Bundeswehr: „Sie sind in ihren jeweiligen Regionen und darüber hinaus wichtige Kulturträger und gleichzeitig Ensembles mit Vorbildcharakter für in Deutschland rund 1,3 Millionen organisierte Laienmusiker“, sagt ein Sprecher des Militärmusikdienstes. Die Ulmer Musiker beispielsweise engagieren sich häufig in Musikvereinen, Orchestern oder Bands in ihren Heimatorten, überregional sind sie ebenso gefragt.
Die erstklassige Ausbildung, die Möglichkeit, sich musikalisch zu entwickeln, die internationalen Auftritte: Ungewöhnliche Karrieren sind möglich. In Ulm steht mit Oberstleutnant Matthias Prock ein Soldat an der Spitze des Heeresmusikkorps, der eigentlich Kirchenmusiker werden wollte. 1996 nahm er sein Studium an der Hochschule für Katholische Kirchenmusik in Regensburg auf. Nach seinem Examen folgte am selben Institut sein zweiter Studienabschluss als „Musiklehrer mit Hauptfach Orgel“. Eigentlich wollte Prock in Freiburg seine kirchenmusikalische Ausbildung mit dem Konzertexamen ergänzen, doch dann kam der „Bund“dazwischen: „Während des Studiums habe ich mich immer wieder der Einberufung entzogen“, erinnert Prock sich leicht schmunzelnd, „nach dem Examen aber kam 2001 der Einberufungsbescheid.“Begeistert von der Vielfalt der Militärmusik entschied er sich für die Laufbahn der Offiziere des Militärmusikdienstes. So studierte Prock an der Robert-SchumannHochschule in Düsseldorf. Sein drittes Diplom in Musik absolvierte er mit seinem Kapellmeister-Examenskonzert im Februar 2007. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem war er bei Staatsbesuchen eingesetzt, kam Prock 2012 nach Ulm.
Natürlich seien die Musiker Soldaten mit der Pflicht, sich beim Sport fit zu halten und Schießübungen zu absolvieren, sagt Prock: „Aber bei uns steht die Musik im Vordergrund, ein bis zwei Stunden pro Tag übt der Soldat auf seinem Instrument.“Die Bezahlung, der sichere Arbeitsplatz, das Team, die Professionalität: „Das finden Sie woanders nur schwer.“
Wertschätzung durch Kameraden
Die Militärmusik hat ihre Zukunft, trotz aller Sparpläne, trotz aller Kritik, trotz der schwierigen Nachwuchsgewinnung: „Soldaten, die in den Einsatz gehen, die nach dem Einsatz willkommen geheißen werden, empfinden unsere Auftritte als Wertschätzung ebenso wie die Kameraden, die wir im Einsatz mit einem Konzert von den Sorgen und Gefahren wenigstens für ein paar Stunden ablenken.“Aus eigener Erfahrung setzt der Leiter hinzu: „Und dann fließen auch beim erfahrensten Kameraden ein paar Tränen der Rührung.“