Blumensträuße und Drogen von der Mafia
In Rom ermittelt die Polizei gegen dubiose Blumenverkäufer, deren Stände auch nachts geöffnet haben
ROM - Aufmerksamen Romtouristen fallen sie gleich ins Auge: Ziemlich große Blumenstände, die rund um die Uhr geöffnet sind. Doch hier werden nicht nur Blumen, Pflanzen, Sträuße und Kränze verkauft, sondern auch Drogen.
In fast allen Fällen werden die Käufer an den Ständen nicht von gebürtigen Italienern, sondern von Einwanderern bedient. Die männlichen Verkäufer schlafen sogar nachts in den Blumenständen, die über einen kleinen Innenraum verfügen. Allein an der zentralen Piazza Vittorio, ein Platz, nicht weit vom Hauptbahnhof Stazione Termini entfernt, finden sich gleich fünf solcher Blumenstände. Und auch vor jedem der großen römischen Friedhöfe stehen sie, so wie vor dem Haupteingang des Friedhofs von Prima Porta. Der wird zwar nach Einbruch der Dunkelheit geschlossen, aber die Blumenstände bleiben geöffnet. Doch warum? Diese Frage stellten sich auch Ermittler der Polizei und machten dabei eine erstaunliche Entdeckung.
Eigentümer der Blumenstände am Friedhof Prima Porta sind sieben Drogendealer – sie erwarben die Stände nicht etwa, um auf legale Weise Geld zu verdienen, sondern nutzen die Blumen, um ungestört einem viel lukrativeren Business nachzugehen. Tags- und vielleicht auch nachtsüber werden zwar tatsächlich Blumen verkauft, aber das meiste Geld wird mit dem Handel von Drogen gemacht.
Die Einwanderer, die an den Blumenständen arbeiten, verkaufen auf Nachfrage und nach Nennung eines Geheimwortes Kokain, Haschisch und synthetische Drogen. Unter ihnen geht jetzt die Furcht vor Kontrollen um, denn die meisten von ihnen besitzen keine Aufenthaltsgenehmigung. Die Ermittler wollen jetzt auch alle anderen römischen Blumenstände überprüfen. „Denn wie machen die ihr Geld?“, fragt ein Sprecher der römischen Polizei, „ich kenne niemanden, der nachts Blumen kaufen geht“. Mithilfe des inzwischen reuigen Mafiamitarbeiters Gianni Cretarola, der vor einigen Monaten der Polizei gegenüber auspackte, haben die Ermittler entdeckt, dass der römische Drogenhandel qua Blumenstand insgesamt von vier Mafiafamilien koordiniert wird: Die kalabresischen Clans Palamara, Scriva, Mollica und Morabito.
Auch Obst-und Gemüsegeschäfte unter Verdacht
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es ebenfalls Einwanderer aus Asien sind, die zunehmend Roms Obst- und Gemüsegeschäfte führen. „Das Geld, um solche Geschäfte zu öffnen, haben die doch gar nicht“, meint Mafiasoziologe Enzo Ciconte von der Universität Rom, Experte für die kalabresische Mafia, die sogenannte 'Nrangheta. „Erste Ermittlungen ergaben, dass die Händler dieser Geschäfte ihre Waren bei Unternehmern aus Kalabrien kaufen, die auch die Miete für die Ladenlokale zahlen, und das immer in bar“, so Ciconte. Barzahlungen mit hohen Summen, so der Fachmann, seien „ein klares Zeichen für mafiöse Geldwäsche“. Sind also auch Roms Obst- und Gemüseläden in den Händen der organisierten Kriminalität? Ciconte ist fest davon überzeugt. Dass die Polizei in diesem Fall noch nicht großflächig ermittelt, dazu will er sich nicht öffentlich äußern.
Aber wie auch andere Mafiakenner ist er davon überzeugt, dass es den Bossen in Rom immer wieder gelingt, mihilfe von Geld in der Sache ermittelnde Beamte zum Schweigen zu bringen.