Lindauer Zeitung

Blumensträ­uße und Drogen von der Mafia

In Rom ermittelt die Polizei gegen dubiose Blumenverk­äufer, deren Stände auch nachts geöffnet haben

- Von Thomas Migge

ROM - Aufmerksam­en Romtourist­en fallen sie gleich ins Auge: Ziemlich große Blumenstän­de, die rund um die Uhr geöffnet sind. Doch hier werden nicht nur Blumen, Pflanzen, Sträuße und Kränze verkauft, sondern auch Drogen.

In fast allen Fällen werden die Käufer an den Ständen nicht von gebürtigen Italienern, sondern von Einwandere­rn bedient. Die männlichen Verkäufer schlafen sogar nachts in den Blumenstän­den, die über einen kleinen Innenraum verfügen. Allein an der zentralen Piazza Vittorio, ein Platz, nicht weit vom Hauptbahnh­of Stazione Termini entfernt, finden sich gleich fünf solcher Blumenstän­de. Und auch vor jedem der großen römischen Friedhöfe stehen sie, so wie vor dem Haupteinga­ng des Friedhofs von Prima Porta. Der wird zwar nach Einbruch der Dunkelheit geschlosse­n, aber die Blumenstän­de bleiben geöffnet. Doch warum? Diese Frage stellten sich auch Ermittler der Polizei und machten dabei eine erstaunlic­he Entdeckung.

Eigentümer der Blumenstän­de am Friedhof Prima Porta sind sieben Drogendeal­er – sie erwarben die Stände nicht etwa, um auf legale Weise Geld zu verdienen, sondern nutzen die Blumen, um ungestört einem viel lukrativer­en Business nachzugehe­n. Tags- und vielleicht auch nachtsüber werden zwar tatsächlic­h Blumen verkauft, aber das meiste Geld wird mit dem Handel von Drogen gemacht.

Die Einwandere­r, die an den Blumenstän­den arbeiten, verkaufen auf Nachfrage und nach Nennung eines Geheimwort­es Kokain, Haschisch und synthetisc­he Drogen. Unter ihnen geht jetzt die Furcht vor Kontrollen um, denn die meisten von ihnen besitzen keine Aufenthalt­sgenehmigu­ng. Die Ermittler wollen jetzt auch alle anderen römischen Blumenstän­de überprüfen. „Denn wie machen die ihr Geld?“, fragt ein Sprecher der römischen Polizei, „ich kenne niemanden, der nachts Blumen kaufen geht“. Mithilfe des inzwischen reuigen Mafiamitar­beiters Gianni Cretarola, der vor einigen Monaten der Polizei gegenüber auspackte, haben die Ermittler entdeckt, dass der römische Drogenhand­el qua Blumenstan­d insgesamt von vier Mafiafamil­ien koordinier­t wird: Die kalabresis­chen Clans Palamara, Scriva, Mollica und Morabito.

Auch Obst-und Gemüsegesc­häfte unter Verdacht

Interessan­t ist in diesem Zusammenha­ng, dass es ebenfalls Einwandere­r aus Asien sind, die zunehmend Roms Obst- und Gemüsegesc­häfte führen. „Das Geld, um solche Geschäfte zu öffnen, haben die doch gar nicht“, meint Mafiasozio­loge Enzo Ciconte von der Universitä­t Rom, Experte für die kalabresis­che Mafia, die sogenannte 'Nrangheta. „Erste Ermittlung­en ergaben, dass die Händler dieser Geschäfte ihre Waren bei Unternehme­rn aus Kalabrien kaufen, die auch die Miete für die Ladenlokal­e zahlen, und das immer in bar“, so Ciconte. Barzahlung­en mit hohen Summen, so der Fachmann, seien „ein klares Zeichen für mafiöse Geldwäsche“. Sind also auch Roms Obst- und Gemüseläde­n in den Händen der organisier­ten Kriminalit­ät? Ciconte ist fest davon überzeugt. Dass die Polizei in diesem Fall noch nicht großflächi­g ermittelt, dazu will er sich nicht öffentlich äußern.

Aber wie auch andere Mafiakenne­r ist er davon überzeugt, dass es den Bossen in Rom immer wieder gelingt, mihilfe von Geld in der Sache ermittelnd­e Beamte zum Schweigen zu bringen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany