Högschd souverän
Die DFB-Elf überzeugt auch beim 2:0 gegen Nordirland – Löw lobt Dominanz
s ist schon immer eine recht probate Strategie von Trainern gewesen, den Gegner, der seiner Mannschaft soeben eine klare Niederlage beigebracht hat, ein wenig zu überhöhen. Lobe deinen Gegner, um selbst nicht gar zu schlecht dazustehen. „Ich bezweifle, dass es weltweit eine Mannschaft gibt, die dieses Team aufhalten kann“, sagte also Nordirlands Trainer Michael O’Neill nach dem 0:2 (0:2) seiner Mannschaft im WMQualifikationsspiel gegen Deutschland. Das wird noch zu beweisen sein, die Qualifikation für das Weltturnier in Russland geht noch eine Weile, zudem erwartet die DFB-Elf am 15. November ein Freundschaftsspiel gegen Italien – die Azzurri sind trotz der letzten zwei siegreichen Schlachten noch immer ein kleiner Angstgegner für Bundestrainer Joachim Löw und Co.
Doch einen Punkt getroffen hatte O’Neill natürlich trotzdem mit seiner Analyse: Dieser deutschen Mannschaft scheint das Aus im EMHalbfinale gegen Frankreich ziemlich gut getan. Nach zwei äußerst rumpeligen Jahren nach dem Triumph bei der WM, in denen sich ein lätscherner Auftritt an den nächsten reihte, scheint Löw bei seinen DFBKickern wieder diese unbedingte Lust aufs Spielen und Gewinnen eingeimpft haben, die seine Mannschaft seit seinem Amtsantritt 2006 (mit einigen Ausreißern nach unten) im Grunde bis ins Finale von Rio de Janeiro getragen hatte. Der dritte Sieg im dritten Spiel der Quali war wieder: total verdient und – um eine vielzitierte Redewendung Löws aus der Vergangenheit zu verwenden – högschd souverän.
Der Bundestrainer sagte am Dienstagabend auch, dass seine Mannschaft die Aufgaben bei den Qualifikationsspielen gegen Tschechien (3:0) und Nordirland „souverän gelöst“habe. Doch er bediente sich diesmal auch noch größerer Worte. „Wir haben inzwischen eine unglaubliche Dominanz in unserem Spiel erreicht“, sagte er und kündigte an, dass man die Qualifikation „gnadenlos durchziehen“wolle. Und weiter: „Wir üben sehr viel Druck auf den Gegner aus. Der Gegner muss unheimlich viele Wege machen, um die Räume zu schließen. Die Mannschaft ist sehr gefestigt. Wir haben aber nicht gegen die Kategorie eins gespielt“, sagte Löw.
Neue taktische Varianz
Auch das stimmte natürlich, allerdings war es schon sehr bemerkenswert, wie die DFB-Elf es innerhalb kürzester Zeit geschafft hat, sich auf zwei völlig unterschiedliche Spielsysteme der jeweiligen Gegner einzustellen. Während Tschechien am Samstag sehr hoch verteidigte und von den Deutschen vor allem mit vielen Diagonalpässen aus der Verteidigung und schnellen, vertikalen Angriffen geschlagen wurde, waren gegen die massiert in einer breiten 54-1-Grundordnung verteidigenden Nordiren vor allem Geduld im Spielaufbau mit vielen kurzen Pässen aus dem zentralen Mittelfeld, der Blick für den letzten tödlichen Pass, Distanzschüsse und erfolgreiche Standards gefragt. Letztlich trafen Julian Draxler mit einer klugen Direktabnahme aus 17 Metern und der in allen Belangen überragende Sami Khedira per Kopf nach einem Eckball. Angesichts des Spielverlaufs waren zwei Tore zu wenig, andererseits honorierte der Bundestrainer, dass seine Spieler bis zum Schluss auf weitere Treffer gedrängt hatten. Das war – ebenso wie die bisweilen fehlende taktische Varianz im Spiel – in den letzten Jahren hin und wieder ein Problem gewesen der Nationalmannschaft.
Angesichts der souveränen Tabellenführung und der Tatsache, dass der vierte Sieg in der Quali schon eingeplant werden kann, am 11. November geht es gegen den kleinsten aller Fußballzwerge San Marino, kann Löw sich sogar jetzt schon den Luxus erlauben, sich um die mittlere Zukunft zu kümmern. „Ich habe bei den Spielen im November und beim Confed Cup die Möglichkeit, andere Spieler zu bringen. Wir müssen den Spagat schaffen und uns überlegen, wann die Mannschaft zusammenbleibt und wann man junge Spieler einbaut“, sagte er.