Künstler, Clown und Aktivist
Auch ein umstrittener Preisträger: Zum Tod des italienischen Dramatikers Dario Fo
RAVENSBURG (sz) - Solche Figuren wie Dario Fo bringt auch nur Italien hervor: Künstler, Clown und politischer Aktivist – Dario Fo war alles in einer Person. Und umstritten war er auch. Als er 1997 den Literaturnobelpreis bekam, fielen die Reaktionen ähnlich aus wie die gestern auf die Entscheidung für Bob Dylan: Sie reichten von freudiger Überraschung bis hin zu absolutem Unverständnis. Dario Fo ist am Donnerstag in einer Mailänder Klinik einem Lungenleiden erlegen. Er wurde 90 Jahre alt.
Bloß nicht zu ernst werden
„Bezahlt wird nicht!“, „Kinder, Küche, Kirche“oder „Offene Zweierbeziehung“heißen die bekanntesten Stücke, die Dario Fo zusammen mit seiner (vor drei Jahren verstorbenen) Ehefrau Franca Rame geschrieben hat. In den 1970er- und 1980erJahren fehlten sie auf keinem bundesdeutschen Spielplan. Es war dieser freche, unmittelbare Ton und die aus der Tradition der Commedia dell’ arte kommende derbe Überdrehtheit, die das Publikum abholten.
Auch Theatertexte sind Konjunkturschwankungen unterworfen. Dario Fo/Franca Rame werden hierzulande inzwischen kaum mehr gespielt. In Italien freilich war die Stimme dieses Komödianten immer noch sehr vernehmlich. 2006 kandidierte er für das Amt des Bürgermeisters in Mailand (kam aber nicht über die Vorwahlen hinaus). Für seinen Freund, den Komiker Beppe Grillo und dessen Movimento 5 Stelle setzte sich Fo vehement ein. Der Kampf gegen das italienische System einte sie. Der musste nicht subtil sein, aber laut und witzig. Bloß nie bierernst werden. In seiner Nobelpreisrede sagte Fo 1997: „Die Macht, und zwar jede Macht, fürchtet nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott. Sie sind Anzeichen für kritischen Sinn, Fantasie, Intelligenz und das Gegenteil von Fanatismus. Ich bin nicht mit der Idee zum Theater gegangen, Hamlet zu spielen, sondern mit der Ansicht, ein Clown zu sein, ein Hanswurst.“
Dario Fo kämpfte – meistens gegen rechts. Und vor allem gegen Silvio Berlusconi. Aber auch die Kommunistische Partei, die politische Heimat seiner frühen Jahre, bekam in Fos Texten und bei seinen Auftritten ihr Fett ab. Mit seinen Satiren handelte sich der Sohn eines Bahnhofvorstehers aus Sangiano am Lago Maggiore von Anfang an Ärger ein. Nicht ohne Sündenstolz erzählte Fo gern: „In einer einzigen Tournee heimste ich bis zu 260 Anzeigen ein.“Beim staatlichen Rundfunksender RAI folgte auf den Einstand 1951 auch gleich die Absetzung: Seine Monologe über biblische Themen riefen die katholische Kirche auf den Plan, und aus war es mit „Cocorico“. Auch sein zweiter Anlauf in der RAI scheiterte nach anfänglichen Erfolgen: Als in einer Episode von „Canzonissima“ein Journalist von der Mafia ermordet wird, waren die Politiker sauer. 15 Jahre lang durften Fo und Rame nicht mehr im Fernsehen auftreten.
Dario Fo war vielseitig begabt: Er inszenierte nicht nur selbst (in späteren Jahren auch Opern), sondern spielte, schuf das Bühnenbild und komponierte die Musik dazu. Er war ein Possenreißer, aber auch ein professioneller Theatermacher. Der Witz war ein Instrument, um die Mächtigen und ihren Apparat zu entlarven. Aber die Kunst hat Dario Fo immer ernst genommen.