Essen schmeckt. Wetter gut
Die Urlaubspostkarte lebt, obwohl ihr SMS und WhatsApp langsam den Rang ablaufen
(dpa) - Ein Strand im Sonnenaufgang, Bäderarchitektur, Kirche oder ein nackter, mit Sand panierter Frauenpo am Strand? Jeder Postkarten-Käufer hat eigene Vorstellungen, was für ihn einen perfekten Urlaub an der Küste ausmacht und welches Kartenmotiv er für den Urlaubsgruß wählt.
Andrea Thode aus Rendsburg greift am Postkartenständer an der Zinnowitzer Strandpromenade zu einer Karte mit romantischen Ortsund Strandansichten. Eine Urlaubskarte an die Kinder, an Nachbarn und Kollegen ist für sie auch in Zeiten der digitalen Kommunikation eine Selbstverständlichkeit. Eine SMS oder eine WhatsApp-Nachricht kann – so ist die Frau aus SchleswigHolstein überzeugt – den handgeschriebenen Gruß nicht ersetzen.
Nicht nur Andrea Thode denkt so. In den Souvenirshops und Kurverwaltungen gehören Postkarten zu den Bestsellern. An Spitzentagen gehen allein in der Verkaufsstelle der Stralsunder Tourismuszentrale pro Tag bis zu 300 Karten über den Tresen, wie Leiter André Kretzschmar sagt. Buch- und Souvenirshops dazugerechnet dürften es allein in der Welterbestadt mehr als täglich 1000 Karten sein.
Nach Angaben der Deutschen Post sind die Sommermonate der Zeitraum, in dem die meisten Postkarten in Deutschland verschickt werden. Von den 210 Millionen Postkarten, die die Post allein 2014 beförderte, sind ein knappes Drittel in den Monaten Juni bis August versendet worden. „Gerade auf den Inseln spüren wir im Sommer einen deutlichen Anstieg von Postkartensendungen“, sagt der Sprecher der Deutschen Post, Jens-Uwe Hogardt.
Marginaler Markt für die Post
Dennoch sind Postkarten für die Deutsche Post nur ein marginaler Markt – sie machen knapp zwei Prozent der deutschlandweiten Briefsendungen aus. Der Großteil besteht aus geschäftlichen oder Werbe-Briefen.
Auch wenn alle digitalen Kanäle zusammen inzwischen der Postkarte rein zahlenmäßig den Rang abgelaufen haben – aus der Mode gekommen ist sie nicht. Die Urlaubskarte entschleunigt den Schreiber, wenn er nach den richtigen Worten für den Adressaten sucht. Postkarten bedeuteten Muße, das Schreiben koste mehr Zeit als das schnelle Selfie am Strand mit einem Smiley. „Eine Postkarte zu schreiben, ist eine Form von Wertschätzung des Adressaten“, sagt Dirk Thode. Diese Mußestimmung beim Schreiben der Karte – dabei vielleicht auch das persönliche Verhältnis zum Adressaten reflektierend – erlebt man eben oft nur noch im Urlaub.
Die Postkarte gilt inzwischen nicht mehr als alleiniger ultimativer Beweis, an einem attraktiven Ort den Urlaub verbracht zu haben. Sie wird heute parallel zu digitalen Grüßen verschickt. 62 Prozent der deutschen Reisenden – so ergab eine Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom – versenden ihre Urlaubsgrüße in diesem Jahr auf elektronischem Weg per SMS, WhatsApp, per E-Mail über Facebook und Twitter. Dennoch gab auch mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) an, in diesem Jahr ihre Urlaubsgrüße weiter auf konventionellem Weg zu versenden. Damit hat sich die Zahl der Postkartenschreiber zu 2014 nicht verändert. Auch eine zweite Umfrage kommt zu einem ähnlichem Ergebnis. Laut Marktforschungsinstitut Media Control verschicken drei von vier Deutschen weiter postalische Grüße nach Hause – oft parallel zu anderen digitalen Kanälen.
Ein Blick in die Postkartensammlung von Silvia Klöpfer mit 3500 Karten aus dem Ostseebad Zinnowitz zeigt, dass bei den Karten vieles beim Alten geblieben ist. Das Layout, die Papierqualität der Karten – die anfangs noch „Correspondenzkarten“hießen – haben sich verändert, der Inhalt der Karten hingegen kaum: Neben dem neuesten Klatsch finden sich auch auf ihnen die noch heute gültigen Kernaussagen eines gelungenen Sommerurlaubs: „Wetter gut. Essen schmeckt!“Die älteste Karte von Silvia Klöpfer stammt von 1890. Auch die Motive haben sich über die fast 130 Jahre kaum gewandelt: Seebrücke, Bäderarchitektur, Strand.