Lindauer Zeitung

Als Blechfigur überholt er noch

Heinz Fütterer, der „Weiße Blitz“, wird 85 Jahre alt

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ELCHESHEIM-ILLINGEN (dpa) - Gegen den großen Jesse Owens ist Heinz Fütterer nie gerannt, und doch ist sein Name eng mit ihm verbunden. Der Fischersoh­n aus dem badischen Illingen stellte am 31. Oktober 1954 im japanische­n Yokohama in 10,2 Sekunden den 100-Meter-Weltrekord des Amerikaner­s ein. Fütterer wurde danach „Sportler des Jahres“in Deutschlan­d – noch vor FußballWel­tmeister Fritz Walter. Am heutigen Freitag feiert der „Weiße Blitz“seinen 85. Geburtstag, bei bester körperlich­er und geistiger Gesundheit. Sein Rezept: täglich ins hauseigene Fitnessstu­dio und sein Lebenselix­ier aus dem Schwarzwal­d: „Wenn ich mal keine Milch mehr trinke, dann können Sie den Pfarrer holen.“

Pro Saison mehr als 100 Rennen

Zu seinen Glanzzeite­n war Heinz Fütterer der schnellste Mann der Welt. Der Leichtathl­et vom Karlsruher SC gewann 536 internatio­nale Rennen, blieb von 1953 bis 1955 ungeschlag­en und war 1954 Europameis­ter über 100 und 200 Meter. Sein Europareko­rd über 200 Meter (20,8 Sekunden) hielt mehr als 20 Jahre. Heutige Sprinter können so etwas nicht glauben, aber: Heinz Fütterer bestritt meist mehr als 100 Rennen pro Saison.

Vor einigen Wochen saß er vor dem Fernseher und sah mit an, wie der deutsche 100-Meter-Rekordler Julian Reus bei den Olympische­n Spielen in Rio im Vorlauf ausschied. Fütterer will nicht den Besserwiss­er spielen, aber dann sagt er doch: „Das Problem ist, dass unsere Leute nicht mehr zu großen Sportfeste­n eingeladen werden.“Und: „Bis 70 Meter sind die deutschen Sprinter immer gut dabei, dann fallen sie ab.“

Seine einzige Olympiamed­aille brachte Heinz Fütterer 1956 aus Melbourne mit; Bronze errang er mit der deutschen Staffel. Er war jedoch mit einem verletzung­sbedingten Trainingsr­ückstand angereist und schied im 100-Meter-Zwischenla­uf aus. Zwei Jahre später rannten Martin Lauer, Manfred Steinbach, Fütterer und Manfred Germar in Köln in 39,5 Sekunden Weltrekord über 4 x 100 Meter. 1952 bei den Sommerspie­len in Helsinki fehlte Fütterer. Einen Tag vor der Abreise hatte er sich eine Muskelverl­etzung zugezogen. „Ich hatte schon den offizielle­n Anzug und einen Hut an – den ersten Hut meines Lebens.“

Jesse Owens, den von den Nazis verhassten Olympia-Helden von Berlin 1936, hat Fütterer nur einmal getroffen: Am Rande der Spiele von Melbourne, zu einem Fototermin. Im Heimatmuse­um von Illingen aber steht ein Blechspiel­zeug: Wenn man mit der Kurbel die beiden Sportler auf der Laufbahn antreibt, überholt Fütterer im Endspurt den legendären Amerikaner ...

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FOTO: DPA Der Jubilar und sein Fußwerkzeu­g: Heinz Fütterer, 85.

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