Die Banken und das Internet
Wie Onlinebanking den Umgang mit Geld verändert
RAVENSBURG (ank) - Die Digitalisierung hat auch die Bankenbranche fest im Griff. Immer mehr Menschen nutzen inzwischen die Möglichkeiten, Bankgeschäfte entweder online am heimischen PC oder mobil mit dem Smartphone oder dem Tablet-Computer zu erledigen – und tauchen entsprechend seltener am Banktresen auf. Der bargeldlose Zahlungsverkehr wächst rasant, Banken und Sparkassen experimentieren mit Videochat, Avatarberatung und dem Einsatz künstlicher Intelligenz. Wird die Bankfiliale und der -berater im Jahr 2040 ein Relikt aus alten Zeiten sein – so wie der Tante-Emma-Laden heute? Wie sich das Bankgeschäft wandelt und wohin die Reise geht, steht in der heutigen Ausgabe unserer Serie Digitales Leben.
RAVENSBURG - Freitagnachmittag in der Hauptfiliale der Kreissparkasse Ravensburg in der Meersburger Straße: In der riesigen Schalterhalle des wuchtigen Backsteinbaus herrscht angenehme Ruhe. Einige Kunden erledigen Bankgeschäfte, doch von hektischer Betriebsamkeit keine Spur. Ravensburg ist damit keine Ausnahme. So oder ähnlich stellt sich das Bild in vielen Banken und Sparkassen im Jahr 2016 dar. Das war vor etlichen Jahren noch anders. Da waren Menschentrauben am Banktresen – gerade an einem Freitagnachmittag – eher Regel denn Ausnahme. Überweisungen tätigen, Kontoauszüge holen oder Daueraufträge einrichten – für viele war der Gang in die Bankfiliale ein wöchentliches Ritual.
Der Unterschied zwischen beiden Szenarien lässt sich auf ein einziges Wort reduzieren: Digitalisierung. Immer mehr Menschen nutzen inzwischen die Möglichkeiten, Bankgeschäfte entweder online auf dem heimischen PC oder mobil mit dem Smartphone zu erledigen – und tauchen dementsprechend seltener am Bankschalter auf. Dass dies kein subjektiver Befund anhand eines stichprobenartigen Filialbesuchs ist, belegen Zahlen des Sparkassenverbands. In den deutschlandweit gut 400 Sparkassen wurden dieses Jahr über einen Zeitraum von zwei Monaten sämtliche Geschäftsvorfälle – online wie offline, also vor Ort in der Filiale – registriert und ausgewertet. Herausgekommen ist ein Verhältnis von 1 zu 190. Einem Filialbesuch stehen also 190 digitale Geschäftsvorfälle gegenüber – angefangen von der Benutzung des Geldautomaten bis hin zur Überweisung per Smartphone-App.
Bargeld verliert an Bedeutung
„Das Verhalten der Kunden hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Einfache Bankdienstleistungen wie Überweisungen werden heute zunehmend digital gemacht“, sagt Heinz Pumpmeier, Vorstand der Kreissparkasse Ravensburg. Digitalisierung, fährt Pumpmeier fort, bedeutet für viele Kunden „ein Agieren in der Komfortzone“. Wartezeiten, etwa am Bahnhof, würden heute dazu genutzt, Bankgeschäfte zu erledigen. Vor 20 Jahren hingegen war der Gang zur Filiale der Anker, an den weitere Besorgungen und Einkäufe angehängt wurden.
Nach der Musik-, Filmund Medienbranche hat die digitale Revolution auch die Finanzwelt fest im Griff. Vor allem im Zahlungsverkehr hat sich in den vergangenen Jahren Erhebliches getan. Bargeldlose Überweisungen und Geldbewegungen überstiegen im Jahr 2015 die Zahl von 426 Milliarden Transaktionen weltweit. Die Gründe für die Zunahme der digitalen Zahlungen sind vielfältig. Eine große Rolle spielt der technologische Fortschritt in der Sicherheitstechnologie von Kredit- und Cashkarten und in der Biometrie. Hinzu kommen steigende Kosten für Barzahlungen. Gleichzeitig drängen neue Anbieter wie Direktbanken und branchenfremde Wettbewerber mit neuen, innovativen Lösungen in einen Markt, der bisher fest in den Händen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken war.
Bestes Beispiel: der Bezahldienst Paypal, der sich innerhalb weniger Jahre zur Nummer zwei im deutschen Onlinehandel aufgeschwungen hat. Von den knapp 33 Milliarden Euro, die die 1000 größten Onlineshops hierzulande im Jahr 2015 umgesetzt haben, wurde ein Fünftel über Paypal abgerechnet. Mit dem Onlinebezahldienst Paydirekt wollen die deutschen Geldhäuser dem übermächtigen Anbieter Paypal jetzt zu Leibe rücken. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Noch ist der Abstand groß: Während die mehr als 16 Millionen Kunden des US-Anbieters in Deutschland in über 50 000 Onlinegeschäften zahlen können, hat Paydirekt erst 260 Händler angebunden und eigenen Angaben zufolge 650 000 registrierte Kunden. Für einen Erfolg von Paydirekt müssen zwingend noch die großen Versender wie Amazon und Ebay oder in Deutschland Zalando und Otto gewonnen werden. „Da haben wir zu spät reagiert, das passiert uns kein zweites Mal“, gibt Pumpmeier zu.
Wettbewerb belebt das Geschäft
Für die Kunden sind das unter dem Strich gute Nachrichten, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Inzwischen haben Banken und Sparkassen begriffen, dass die Googles und Apples dieser Welt in ihrem Expansionsdrang auch vor der Finanzbranche nicht haltmachen, und Digitalisierung zur Chefsache erklärt. „Wir müssen davon wegkommen, diese Unternehmen nur als Konkurrenten zu betrachten. Ich denke, in der Kooperation liegt eine große Chance für die Bankbranche, wovon beide Seiten profitieren“, erklärt Franz Schmid, Vorsitzender der Bezirksvereinigung der Volks- und Raiffeisenbanken im Bezirk RavensburgBodensee-Oberschwaben und Vorstand der Volksbank Altshausen.
Wie solche Kooperationen aussehen zeigt exemplarisch das Beispiel Fotoüberweisung. Die SmartphoneApp, entwickelt von einem FinanzStartup aus München, macht Fotos einer Rechnung in Papierform, extrahiert daraus die entsprechenden Informationen zur Überweisung und verknüpft den Nutzer automatisch mit der eigenen BankingApp. So muss man im besten Fall nur noch eine Transaktionsnummer einge- ben, und der Rechnungsbetrag ist in aller Kürze überwiesen. In Deutschland gibt es 350 solcher Fintechs, kleine wendige Unternehmen ohne den organisatorischen und aufsichtsrechtlichen Ballast der traditionellen Institute, die mit den Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung im Finanzwesen spielen. Davon wird nur ein Bruchteil überleben, längst nicht alle Applikationen werden sich beim Kunden durchsetzen. Doch die Innovationskraft dieser Anbieter macht den etablierten Banken und Sparkassen Beine.
Ein Avatar als Berater?
Wo geht die Reise hin? Wird die Bankfiliale im Jahr 2040 ein Relikt aus alten Zeiten sein – so wie der Tante-Emma-Laden heute? Zu seriösen Antworten auf diese Frage lässt sich kaum ein Bankchef hinreißen. Wie auch. Vor zwanzig Jahren hatte sich auch kaum jemand vorstellen können, dass ein Smartphone den Überweisungsträger aus Papier ersetzt. Spricht man mit Bankern, ist die Geschäftsstelle vor Ort aber kein Auslaufmodell. Mit dem zunehmenden Gewicht digitaler Vertriebskanäle geht zwar ein ausgedünntes Filialnetzes einher. Für komplexe Geschäfte wie eine Anlageberatung oder eine Baufinanzierung wird aber nach wie vor der Bankberater aufgesucht. „Und das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben“, ist sich Pumpmeier sicher.
Doch gleichzeitig werden die Angebote im Netz immer größer, die Technologien ausgereifter. Banken experimentieren heute mit Videochat und Avatarberatung, wo eine Kunstfigur den Bankkunden durch die virtuelle Welt lotst. Auch der Einsatz künstlicher Intelligenz wird erprobt. Der von IBM entwickelte Supercomputer Watson etwa hat kognitive Fähigkeiten, die dem eines Menschen ähneln. Er in der Lage, selbstständig Informationen aus Daten zu gewinnen und daraus Schlüsse zu ziehen. IBM arbeitet bereits mit Finanzinstituten zusammen, um Watson im Bankgeschäft zu trainieren – etwa im Bereich der Anlageberatung. Es gibt wenig Argumente, warum nicht auch komplexere Bankgeschäfte künftig online möglich sein sollten.
So schön und bequem die neue Welt für die Kunden ist, die Banken und Sparkassen stellt das vor enorme Herausforderungen. Die Institute müssen ihren Kunden heute auf vielen Wegen den Zugang zu Bankdienstleistungen bieten – per Telefon, online, mobil und in der Filiale vor Ort. Multikanalbank heißt das auf neudeutsch. „Das fordert uns als Bank einerseits, macht das Geschäft andererseits aber auch unwahrscheinlich spannend. Denn der Bankberater muss heute nicht nur das klassische Bankgeschäft beherrschen sondern auch technologisch fit sein – sich mit Smartphone-Apps auskennen und diese Anwendungen Kunden erklären können“, sagt Schmid. Dass die Beratung perspektivisch „entmenschlicht“wird, glaubt der Banker nicht. „Digitalisierung braucht den Menschen. Mit einem Algorithmus wird man menschliche Fähigkeiten niemals ersetzen können.“
Alle Beiträge der Serie gibt es unter www.schwaebische.de/ digitales-leben