Pflegekosten in Süddeutschland für Senioren oft zu hoch
Heimbewohner sind auch in Bayern immer häufiger auf Sozialhilfe angewiesen
RAVENSBURG (dan) - Vor allem in Süddeutschland können immer weniger Senioren die Pflege im Heim aus eigener Tasche bezahlen. Wie aus einer Bertelsmann-Studie hervorgeht, reicht ihr Einkommen zur Deckung der Pflegekosten teilweise nicht aus, da die Lohnkosten im Süden höher sind als im Norden und Osten Deutschlands. In Baden-Württemberg und Bayern steigt deswegen die Zahl jener, die auf Sozialhilfe zur Pflege angewiesen sind. Die Situation könne sich laut des Konstanzer Ökonoms Friedrich Breyer in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“sieht Breyer die Einführung einer verpflichtenden Pflegezusatzversicherung als möglichen Weg aus der Krise.
RAVENSBURG - Zehn Monate – so lang können Senioren in einigen Teilen Süddeutschlands die Heimpflege im Jahr aus eigener Tasche bezahlen. Das geht aus der in dieser Woche vorgestellten Bertelsmann-Studie hervor. In weiten Teilen Süddeutschlands reicht das jährliche Einkommen der Senioren für die Pflege häufig nicht aus.
Dann benötigen sie finanzielle Unterstützung, beispielsweise von Verwandten oder durch Sozialhilfe. Im Bundesdurchschnitt ist das nach 348 Tagen, also etwa elf Monaten, der Fall.
Unter dem Bundesdurchschnitt
Landkreise Baden-Württembergs und Bayerns liegen noch unter den jeweiligen Landeswerten von 307 beziehungsweise 341 Tagen, an denen Pflegebedürftige sich Pflege leisten können. Laut Statistischem Landesamt steigt die Zahl derer, die deswegen Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, kontinuierlich an. Waren es beispielsweise in Baden-Württemberg im Jahr 1999 noch 29 251 Menschen, so waren es 2013 bereits 44 078. Dem bayerischen Statistikamt nach sind die Ausgaben für Pflege im Jahr 2014 um sechs und 2015 noch einmal um fünf Prozent gestiegen.
Das hat laut der Studie einen einfachen Grund: Im Süden ist die Pflege schlichtweg teurer als beispielsweise im Nordosten Deutschlands – nämlich fast doppelt so hoch. Die Löhne für Altenpfleger machen dabei mehr als die Hälfte der Pflegekosten aus. Bekamen diese im Osten im Jahr 2013 einen monatlichen Bruttolohn von 1714 Euro, waren es im Süden beispielsweise 3192 Euro.
Die Situation könnte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, wie der Konstanzer Ökonom Friedrich Breyer sagt. „Die Renten steigen insgesamt langsamer als die Löhne“, erklärt der Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik. Zudem müsse man davon ausgehen, dass der Markt für Altenpfleger in Zukunft „noch enger“werde. Eine halbe Million Altenpfleger werde bis 2030 fehlen. „Damit mehr Menschen diesen Beruf attraktiv finden, muss man sie besser entlohnen. Anders geht es nicht.“Das werde die Lohnkosten jedoch zusätzlich, quasi zur natürlichen Lohnentwicklung, in die Höhe treiben. „Damit wird die Schere sich natürlich öffnen zwischen den Pflegekosten und dem, was Rentner übrig haben“, so Breyer.
Es bleiben Finanzierungslücken
Ein Heimbewohner mit der höchsten Pflegestufe 3 zahlt heute rund 3500 Euro pro Monat. Davon übernimmt die gesetzliche Pflegeversicherung den fixen Betrag von 1600 Euro. Der durchschnittliche Rentner in Baden-Württemberg bekommt Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung zufolge monatlich rund 1100 Euro, Bayern liegt etwas darunter – es bleibt, sofern keine weiteren Einnahmen vorhanden, eine Lücke von 800 Euro.
Eine Möglichkeit, diese zu einem „erheblichen Anteil“zu füllen, sei die Einführung einer „verpflichtenden, kapitalgedeckten Pflegezusatzversicherung“. Breyer hatte diese als federführender Autor eines aktuellen Gutachtens des wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums vorgeschlagen. „Für die 80-Jährigen kommt sie zu spät, aber für die heute 40-, 50-Jährigen nicht.“
Der Beitrag würde einen 30-Jährigen zehn und einen 60-Jährigen knapp über 50 Euro im Monat kosten. Menschen am unteren Ende der Einkommensskala müsste der Staat subventionieren, denn „er kann diese nicht zu etwas zwingen, was sie nicht finanzieren können“.
Doch das sei „natürlich eine politische Entscheidung“. Zu Zeiten der schwarz-gelben Bundesregierung habe es Überlegungen zu einer solchen Zusatzversicherung gegeben. „Da hat sie dann aber der Mut verlassen“, sagt Breyer.