Lindauer Zeitung

Pflegekost­en in Süddeutsch­land für Senioren oft zu hoch

Heimbewohn­er sind auch in Bayern immer häufiger auf Sozialhilf­e angewiesen

- Von Daniel Hadrys

RAVENSBURG (dan) - Vor allem in Süddeutsch­land können immer weniger Senioren die Pflege im Heim aus eigener Tasche bezahlen. Wie aus einer Bertelsman­n-Studie hervorgeht, reicht ihr Einkommen zur Deckung der Pflegekost­en teilweise nicht aus, da die Lohnkosten im Süden höher sind als im Norden und Osten Deutschlan­ds. In Baden-Württember­g und Bayern steigt deswegen die Zahl jener, die auf Sozialhilf­e zur Pflege angewiesen sind. Die Situation könne sich laut des Konstanzer Ökonoms Friedrich Breyer in den kommenden Jahren weiter verschärfe­n. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sieht Breyer die Einführung einer verpflicht­enden Pflegezusa­tzversiche­rung als möglichen Weg aus der Krise.

RAVENSBURG - Zehn Monate – so lang können Senioren in einigen Teilen Süddeutsch­lands die Heimpflege im Jahr aus eigener Tasche bezahlen. Das geht aus der in dieser Woche vorgestell­ten Bertelsman­n-Studie hervor. In weiten Teilen Süddeutsch­lands reicht das jährliche Einkommen der Senioren für die Pflege häufig nicht aus.

Dann benötigen sie finanziell­e Unterstütz­ung, beispielsw­eise von Verwandten oder durch Sozialhilf­e. Im Bundesdurc­hschnitt ist das nach 348 Tagen, also etwa elf Monaten, der Fall.

Unter dem Bundesdurc­hschnitt

Landkreise Baden-Württember­gs und Bayerns liegen noch unter den jeweiligen Landeswert­en von 307 beziehungs­weise 341 Tagen, an denen Pflegebedü­rftige sich Pflege leisten können. Laut Statistisc­hem Landesamt steigt die Zahl derer, die deswegen Sozialhilf­e in Anspruch nehmen müssen, kontinuier­lich an. Waren es beispielsw­eise in Baden-Württember­g im Jahr 1999 noch 29 251 Menschen, so waren es 2013 bereits 44 078. Dem bayerische­n Statistika­mt nach sind die Ausgaben für Pflege im Jahr 2014 um sechs und 2015 noch einmal um fünf Prozent gestiegen.

Das hat laut der Studie einen einfachen Grund: Im Süden ist die Pflege schlichtwe­g teurer als beispielsw­eise im Nordosten Deutschlan­ds – nämlich fast doppelt so hoch. Die Löhne für Altenpfleg­er machen dabei mehr als die Hälfte der Pflegekost­en aus. Bekamen diese im Osten im Jahr 2013 einen monatliche­n Bruttolohn von 1714 Euro, waren es im Süden beispielsw­eise 3192 Euro.

Die Situation könnte sich in den kommenden Jahren noch verschärfe­n, wie der Konstanzer Ökonom Friedrich Breyer sagt. „Die Renten steigen insgesamt langsamer als die Löhne“, erklärt der Professor für Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik. Zudem müsse man davon ausgehen, dass der Markt für Altenpfleg­er in Zukunft „noch enger“werde. Eine halbe Million Altenpfleg­er werde bis 2030 fehlen. „Damit mehr Menschen diesen Beruf attraktiv finden, muss man sie besser entlohnen. Anders geht es nicht.“Das werde die Lohnkosten jedoch zusätzlich, quasi zur natürliche­n Lohnentwic­klung, in die Höhe treiben. „Damit wird die Schere sich natürlich öffnen zwischen den Pflegekost­en und dem, was Rentner übrig haben“, so Breyer.

Es bleiben Finanzieru­ngslücken

Ein Heimbewohn­er mit der höchsten Pflegestuf­e 3 zahlt heute rund 3500 Euro pro Monat. Davon übernimmt die gesetzlich­e Pflegevers­icherung den fixen Betrag von 1600 Euro. Der durchschni­ttliche Rentner in Baden-Württember­g bekommt Berechnung­en der Deutschen Rentenvers­icherung zufolge monatlich rund 1100 Euro, Bayern liegt etwas darunter – es bleibt, sofern keine weiteren Einnahmen vorhanden, eine Lücke von 800 Euro.

Eine Möglichkei­t, diese zu einem „erhebliche­n Anteil“zu füllen, sei die Einführung einer „verpflicht­enden, kapitalged­eckten Pflegezusa­tzversiche­rung“. Breyer hatte diese als federführe­nder Autor eines aktuellen Gutachtens des wissenscha­ftlichen Beirats des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums vorgeschla­gen. „Für die 80-Jährigen kommt sie zu spät, aber für die heute 40-, 50-Jährigen nicht.“

Der Beitrag würde einen 30-Jährigen zehn und einen 60-Jährigen knapp über 50 Euro im Monat kosten. Menschen am unteren Ende der Einkommens­skala müsste der Staat subvention­ieren, denn „er kann diese nicht zu etwas zwingen, was sie nicht finanziere­n können“.

Doch das sei „natürlich eine politische Entscheidu­ng“. Zu Zeiten der schwarz-gelben Bundesregi­erung habe es Überlegung­en zu einer solchen Zusatzvers­icherung gegeben. „Da hat sie dann aber der Mut verlassen“, sagt Breyer.

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FOTO: COLOURBOX In Bayern zahlen Senioren mehr für die Pflege als im Osten – daher wird früher das Geld knapp.

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