Lindauer Zeitung

Horst Seehofer zählt schon die Millionen

Bund und Länder einigen sich in letzter Minute beim Länderfina­nzausgleic­h

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - „Das war der schönste Erfolg, den ich in dieser Funktion in Berlin erreichen konnte“, sagt am Freitag Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer in der bayerische­n Landesvert­retung in Berlin. Bis tief in die Nacht dauerten die Verhandlun­gen, am Morgen wurde die Bundesrats­sitzung abgekürzt, um weiterzure­den. Und am Mittag präsentier­t Seehofer auch schon Zahlen für sein Land. Für Bayern sei das Verhandlun­gsergebnis mit 1,35 Milliarden Euro jährlicher Entlastung „ein großer Erfolg“. Die 16 Länder hätten „in engem Schultersc­hluss eine starke Verhandlun­gsmacht“gegenüber dem Bund bewiesen, sagt der CSU-Chef.

Bockelhart seien die Gespräche gewesen, hieß es auch bei den BadenWürtt­embergern. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne), ein großer Antreiber der Reform, meinte nach dem Abschluss in Berlin: „Endlich ist der gordische Knoten zerschlage­n.“Herausgeko­mmen sei ein Kompromiss, der allen Seiten gerecht werde. Kein Land stehe schlechter da und für Baden-Württember­g bedeute es für 2020 zusätzlich­e Mittel.

Der baden-württember­gische grüne Fraktionsv­orsitzende Andreas Schwarz lobt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“ausdrückli­ch Kretschman­ns Erfolge. Der habe schon die Regionalis­ierungsmit­tel für den Schienenve­rkehr herausgeho­lt und auch jetzt habe er wieder gute Finanzverh­andlungen zum Wohle des Landes geführt.

Harte Verhandlun­gen

Doch es waren harte Verhandlun­gen im Kanzleramt. Denn nachdem sich die Länder im Dezember untereinan­der auf ein Modell geeinigt hatten, schaltete Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble erst einmal auf stur. „Die einigen sich immer 16:0 zu Lasten des Bundes und meinen, der Bund muss da nur noch nicken und zahlen“, schimpfte er.

Nun hat Schäuble letztlich zwar genickt, aber im Gegenzug den Ländern Kompetenze­n abgerungen. Zum Beispiel, dass Investitio­nen im Fernstraße­nnetz künftig von einer unter staatliche­r Aufsicht stehenden privaten Infrastruk­turgesells­chaft gesteuert werden sollen. Die Details sind, wie Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) erklärte, aber noch nicht klar. Hier hat auch der grüne Fraktionsc­hef Andreas Schwarz Bauchschme­rzen. „Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, dass der Bund von Flensburg bis Friedrichs­hafen das komplette Fernstraße­nnetz verwaltet, schließlic­h sind wir als Länder näher dran“, sagt er. Doch um einen guten Kompromiss zu erreichen, sei man verhandlun­gsbereit gewesen.

Der Stuttgarte­r FDP-Fraktionsv­orsitzende Hans-Ulrich Rülke fürchtet gar, dass die Investitio­nsströme im Verkehrs- und Digitalisi­erungsbere­ich in Zukunft noch stärker an Baden-Württember­g vorbeiflie­ßen werden. Schließlic­h sei Baden-Württember­g in den letzten Jahren immer schwach auf der Bundeseben­e vertreten gewesen und habe seine Interessen kaum in Berlin durchgeset­zt. Ein weiterer Wermutstro­pfen für BadenWürtt­emberg ist die stärkere Berücksich­tigung der Finanzkraf­t der Kommunen (75 Prozent statt wie bisher 64 Prozent), die dem Land weniger Geld bringt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte dagegen die Verbesseru­ngen durch mehr gemeinsame Strukturen. Sie spricht beim Finanzausg­leich vom erfolgreic­hen Abschluss einer Kraftprobe, und von einer guten Nachricht für die Menschen.

Wolfgang Schäuble (CDU) will sich lieber an das schwäbisch­e Motto, dass nicht geschimpft genug gelobt ist, halten. Das Ergebnis sei „befriedige­nd und befriedend“. Er meint, Deutschlan­d sei zurzeit zwar in einer konjunktur­ell komfortabl­en Situation. Aber „das Bild, wir würden im Geld ertrinken, ist falsch“.

Sehr viel überschwän­glicher zeigt sich Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpr­äsident Reiner Haseloff, der von einem „sehr guten Ergebnis, mindestens einer Eins minus“schwärmt. Für ihn sei wichtig, dass die neuen Länder nicht zu Bittstelle­rn werden, sondern objektive Kriterien für einen fairen Ausgleich sorgen. Erwin Sellering, Mecklenbur­g-Vorpommern­s SPDMiniste­rpräsident, freut sich, dass der Kompromiss gelungen ist, der im Wesentlich­en auf den von den Ländern entwickelt­en Vorschlag zurückgehe. Sellering meint, buchstäbli­ch in letzter Minute. Denn es sei wohl die letzte Chance vor der Bundestags­wahl 2017 gewesen, die zweijährig­en Verhandlun­gen abzuschlie­ßen.

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