Referendum über Italiens Verfassung
Am 4. Dezember geht es um Italiens Zukunft. Das jedenfalls behaupten die Gegner des mit großer Spannung erwarteten Verfassungsreferendums. Kein anderes Thema spaltet derzeit Italien und provoziert so dicke Luft wie die Volksbefragung an diesem Tag.
Der Sieg des „Si“bedeutet das Ende des bisherigen Regierungssystems zweier gleichberechtigter Parlamentskammern. Regierungschef Matteo Renzi erhofft sich davon mehr politische Stabilität. Die nämlich, so Renzi, brauche sein Land, denn in knapp 70 Jahren wurde es von 63 Regierung geführt.
Sollte die Verfassungsreform angenommen werden, wird der Senat, eine der beiden Kammern des Parlaments, nicht mehr so weiterexistieren wie bisher. Bislang arbeiten Senat und Abgeordnetenhaus mit denselben Vollmachten. Ein Gesetz wird nur dann rechtskräftig, wenn es in beiden Häusern angenommen wird. Gesetze und Reformvorhaben werden allerdings auf diese Weise häufig blockiert.
Zukünftig soll der Senat nur noch für bestimmte kommunale und regionale Gesetze zuständig sein. Er soll zu einer Art Länderkammer werden, dem deutschen Bundesrat nicht unähnlich. Es soll keine 315 hoch dotierten Senatoren, sondern nur noch 100 ehrenamtliche und unbezahlte Mitglieder dieses neuen Senats geben. In Sachen Außen- und Finanzpolitik wird diese Kammer nichts mehr zu sagen haben.
Gefahr für Demokratie
Den Kritikern des Verfassungsreferendums geht es aber vor allem um die durch die Reform enorm gestärkte Position des Regierungschefs. Ferdinando Imposimato, Staatsanwalt und Vizepräsident des Kassationsgerichts in Rom, sieht darin „eine große Gefahr für die italienische Demokratie“.
Imposimato zufolge gehe die Stärkung der Position des Regierungschef „Hand in Hand mit dem Wegfallen des wichtigen Kontrollorgans Senat“. Der Senat sei ja mit seiner Machtfülle ausgestattet worden, so der angesehen Staatsanwalt, „um jede Form bedenklicher Machtkonzentration zu verhindern“. Sollte die Verfassungsreform Realität werden, resümiert Imposimato, „dann gibt es keine Möglichkeit mehr, einen Regierungschef, der mit einer starken Mehrheit im Abgeordnetenhaus ausgestattet ist, zu stoppen“. Die bisherige Gewaltenteilung, so die Kritiker des Verfassungsreferendums, wäre in Gefahr.
Nicht wenige Verfassungsrechtler und auch Richter des Verfassungsgerichtshofes hegen ähnliche Bedenken. Matteo Renzi hingen wischt diese Bedenken mit dem Argument vom Tisch, dass „Italiens Regierungschefs endlich mit soviel Macht ausgestattet werden müssen, dass sie den Karren effektiv aus dem Dreck ziehen und das Land modernisieren können“.
Ex-Komiker Beppe Grillo, Gründer der politischen Bewegung 5 Sterne, M5S, will, dass es gar nicht erst zur Volksbefragung kommt. Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht will er den Urnengang stoppen. Er stützt sich auf den Vorwurf massiver Formfehler. Das Verwaltungsgericht wird sich ab dem 17. Oktober mit Grillos Klage beschäftigen.