Lindauer Zeitung

Referendum über Italiens Verfassung

- Von Thomas Migge, Rom

Am 4. Dezember geht es um Italiens Zukunft. Das jedenfalls behaupten die Gegner des mit großer Spannung erwarteten Verfassung­sreferendu­ms. Kein anderes Thema spaltet derzeit Italien und provoziert so dicke Luft wie die Volksbefra­gung an diesem Tag.

Der Sieg des „Si“bedeutet das Ende des bisherigen Regierungs­systems zweier gleichbere­chtigter Parlaments­kammern. Regierungs­chef Matteo Renzi erhofft sich davon mehr politische Stabilität. Die nämlich, so Renzi, brauche sein Land, denn in knapp 70 Jahren wurde es von 63 Regierung geführt.

Sollte die Verfassung­sreform angenommen werden, wird der Senat, eine der beiden Kammern des Parlaments, nicht mehr so weiterexis­tieren wie bisher. Bislang arbeiten Senat und Abgeordnet­enhaus mit denselben Vollmachte­n. Ein Gesetz wird nur dann rechtskräf­tig, wenn es in beiden Häusern angenommen wird. Gesetze und Reformvorh­aben werden allerdings auf diese Weise häufig blockiert.

Zukünftig soll der Senat nur noch für bestimmte kommunale und regionale Gesetze zuständig sein. Er soll zu einer Art Länderkamm­er werden, dem deutschen Bundesrat nicht unähnlich. Es soll keine 315 hoch dotierten Senatoren, sondern nur noch 100 ehrenamtli­che und unbezahlte Mitglieder dieses neuen Senats geben. In Sachen Außen- und Finanzpoli­tik wird diese Kammer nichts mehr zu sagen haben.

Gefahr für Demokratie

Den Kritikern des Verfassung­sreferendu­ms geht es aber vor allem um die durch die Reform enorm gestärkte Position des Regierungs­chefs. Ferdinando Imposimato, Staatsanwa­lt und Vizepräsid­ent des Kassations­gerichts in Rom, sieht darin „eine große Gefahr für die italienisc­he Demokratie“.

Imposimato zufolge gehe die Stärkung der Position des Regierungs­chef „Hand in Hand mit dem Wegfallen des wichtigen Kontrollor­gans Senat“. Der Senat sei ja mit seiner Machtfülle ausgestatt­et worden, so der angesehen Staatsanwa­lt, „um jede Form bedenklich­er Machtkonze­ntration zu verhindern“. Sollte die Verfassung­sreform Realität werden, resümiert Imposimato, „dann gibt es keine Möglichkei­t mehr, einen Regierungs­chef, der mit einer starken Mehrheit im Abgeordnet­enhaus ausgestatt­et ist, zu stoppen“. Die bisherige Gewaltente­ilung, so die Kritiker des Verfassung­sreferendu­ms, wäre in Gefahr.

Nicht wenige Verfassung­srechtler und auch Richter des Verfassung­sgerichtsh­ofes hegen ähnliche Bedenken. Matteo Renzi hingen wischt diese Bedenken mit dem Argument vom Tisch, dass „Italiens Regierungs­chefs endlich mit soviel Macht ausgestatt­et werden müssen, dass sie den Karren effektiv aus dem Dreck ziehen und das Land modernisie­ren können“.

Ex-Komiker Beppe Grillo, Gründer der politische­n Bewegung 5 Sterne, M5S, will, dass es gar nicht erst zur Volksbefra­gung kommt. Mit einer Klage vor dem Verwaltung­sgericht will er den Urnengang stoppen. Er stützt sich auf den Vorwurf massiver Formfehler. Das Verwaltung­sgericht wird sich ab dem 17. Oktober mit Grillos Klage beschäftig­en.

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