Lindauer Zeitung

Sollte man sich an Bestseller­listen orientiere­n?

- P.lawrenz@schwaebisc­he.de b.letsche@schwaebisc­he.de

Die entscheide­nde Frage ist einfach: Soll man sich auf die berühmte Schwarmint­elligenz verlassen? Hilft das, im weiten Büchermeer ans beste Lesefutter zu kommen? Denn nichts anderes verspreche­n Bestseller­listen, von denen die „Spiegel“-Liste die berühmtest­e ist. Das Ranking orientiert sich an der Zahl verkaufter Bücher in Hunderten ausgewählt­er Buchhandlu­ngen. Und das verheißt: Aus vielen guten Entscheidu­ngen Einzelner wird die Weisheit der Masse. Klar, es ist schon manchmal recht lustig, wofür der Schwarm so schwärmt. „Darm mit Charme“? Hmpf. Die Abenteuer eines gewissen Harry Potter?! Alles so schön bunt hier! Es müssen wohl viele bunte Fischlein mitschwimm­en. Als unumstößli­ches Qualitätss­iegel ist der „Spiegel-Bestseller“Button nicht zu verstehen. Aber trotzdem lohnt sich der Blick auf die Hitliste.

Denn zum einen sind die Zeiten allgewalti­ger Literatur-Päpste vorbei, die ihre Einzelmein­ung zum Maßstab machten. Das ist durchaus als Gewinn zu verstehen. Und wer gern die Nase rümpft über Verlagsmar­keting und Massengesc­hmack, sollte nicht vergessen: In den Verlagen sitzen auch Leute, die gerne lesen, und die ein bisschen etwas verstehen von zeitgeisti­gen Themen, guten Büchern und versierten Erzählern. Der Schwarm hat auch Charme.

Eine Bestseller­liste ist so etwas wie eine selbsterfü­llende Prophezeiu­ng. Hat es ein Buch erstmal auf eine solche Liste geschafft – inzwischen gibt es ja zig verschiede­ne – kann man sicher sein, dass es immer noch mehr Menschen kaufen. Wenn es so viele lesen, muss es schließlic­h gut sein – denkt man. Anders lässt sich der Verkaufser­folg von solch überflüssi­gen Titel wie „Darm mit Charme“oder „Hautnah“nicht erklären. Für den Autor ein Sechser im Lotto.

Wer also lesen will, was alle lesen, der soll ruhig einen Blick auf diese Bestseller­listen werfen. Auch als Entscheidu­ngshilfe für Ratlose und im Bücherwald Überforder­te mögen sie ja taugen. Aber dabei kann man leider auch ganz fürchterli­ch angehen. Denn ein Garant für gute Literatur sind Bestseller­listen mitnichten – sie spiegeln vielmehr den durchschni­ttlichen Massengesc­hmack wieder. So erwies sich kürzlich der Erwerb eines Titels mit dem werbenden Aufkleber „Das neue Buch der ,Spiegel’-Bestseller-Autorin“auf dem Cover als schlimmste­r Fehlgriff seit langem. Kitschig geschriebe­n war es, mit einer dämlichen Story. Dann doch lieber in der Buchhandlu­ng seines Vertrauens herumschle­ndern, mal in die eine oder andere Geschichte hineinlese­n und vielleicht eine Zufallsent­deckung landen.

Ruhig mal mit dem Schwarm schwimmen. von Petra Lawrenz Mit dem Massengesc­hmack in die Kitschfall­e. von Birgit Letsche

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany