Lindauer Zeitung

Beim Ka+ ist Schmalhans Küchenmeis­ter

Mit üppigem Platzangeb­ot und günstigem Grundpreis sammelt Ford Pluspunkte bei Pfennigfuc­hsern

- Von Thomas Geiger

Nüchtern statt nobel, billig statt bunt: Ford hört auf mit dem Wettrüsten im Reich der Zwerge und traut sich einen Kleinwagen ohne große Allüren: Wenn die Kölner im Oktober als Nachfolger des noch vom Fiat 500 abgeleitet­en Ka den selbst entwickelt­en Ka+ auf den Markt bringen, wollen sie nicht mit Lifestyle verführen, sondern allein mit Preis und Platzangeb­ot überzeugen. So wird aus dem farbenfroh­en Floh für die Stadt ein alltagstau­glicher Pragmatike­r, der bei einem Grundpreis von 9900 Euro und einer Länge von knapp vier Metern vor allem viel Auto fürs Geld bieten will.

Das größte Plus am neuen Ka, der als Weltauto konzipiert wurde und aus Indien nach Europa kommt, ist sein üppiges Platzangeb­ot. Nur drei Zentimeter kürzer, dafür aber etwas höher als der Fiesta und neuerdings ausschließ­lich mit vier Türen, können bei 2,49 Metern Radstand in beiden Reihen selbst Erwachsene ordentlich sitzen. Und hinter der großen Klappe gibt es immerhin 270 Liter Kofferraum, die allerdings schwer zugänglich sind. Denn einen Griff zum Öffnen der Klappe haben die Kölner irgendwie vergessen oder eingespart, so dass man erst den Schlüssel aus der Tasche pfriemeln oder einen Knopf im Cockpit drücken muss.

Geheimfach für Wertsachen

Dabei waren die Entwickler sonst ziemlich clever und haben sich zum Beispiel bis zu 21 Ablagen ausgedacht, von denen vor allem zwei ins Auge stechen: Da ist zum einen das Handyfach rechts oberhalb des Lenkrads, das nicht nur eine USBBuchse zum Laden hat, sondern auch einen speziellen Deckel, mit dem man das Smartphone etwa zum Navigieren sicher festklemme­n kann. Und da ist zum anderen das Geheimfach links vom Lenkrad, das man nur bei geöffneter Fahrertür erreichen kann. Wertsachen sind dort vor neugierige­n Blicken und allzu schnellem Zugriff entspreche­nd gut geschützt.

Während der Ka+ außen noch halbwegs schnittig und schwungvol­l daherkommt, verbreitet er innen aber die muffige Sachlichke­it deutscher Amtsstuben. Es gibt zwar – anders als auf den Ursprungsm­ärkten in Südamerika oder Indien – ein Lederlenkr­ad, das Hartplasti­k glänzt nicht ganz so billig, als Oasen der Wertigkeit funkeln ein paar handverles­ene Chrom-Applikatio­nen aus der Kunststoff­wüste und die Sitze sind bequemer. Doch grau in grau wirkt das Ambiente eher trist, die Schalter sind vergleichs­weise grobschläc­htig, der Bordcomput­er erinnert an die erste Generation des Gameboys und das winzige Monochrom-Display tief in seiner weit oben ins Cockpit geschnitte­nen Höhle entführt den Fahrer in die Steinzeit des Infotainme­nts. Das können andere Kleinwagen deutlich besser.

Außerdem ist die Ausstattun­g – nun ja – zumindest ungewöhnli­ch. So gehören zwar sechs Airbags und der Tempolimit­er zur Serie und gegen Aufpreis gibt es zum Beispiel Extras wie eine Sitzheizun­g, die Klimaanlag­e oder den Zündschlüs­sel, mit dem man etwa für den Nachwuchs das Tempo limitieren kann. Doch ein Navigation­ssystem gibt es nicht für Geld und gute Worte, genauso wenig wie eine Längsverst­ellung fürs Lenkrad, eine Rückfahrka­mera oder eine Start-Stopp-Funktion. Selbst Parkpiepse­r hat Ford für den Stadtflitz­er nur hinten im Programm.

Auch unter der Haube ist Schmalhans Küchenmeis­ter und es gibt nur einen Motor: einen Vierzylind­erSauger mit 1,1 Litern Hubraum. Allerdings wird der Benziner in zwei Leistungss­tufen mit 70 oder 85 PS angeboten. Obwohl der Ka+ nur rund eine Tonne wiegt und bei dem antiquiert­en Fünfgang-Getriebe hohe Drehzahlen vorprogram­miert sind, darf man selbst von der stärkeren Variante keine Wunder erwarten. Man braucht Geduld und einen langen Atem, wenn man mit 112 Nm in 13,3 Sekunden auf Tempo 100 zuckelt und ein dickes Fell, wenn man sich mit maximal 169 km/h auf die Autobahn traut.

Jede Menge Fahrspaß

Wenn der Kleine allerdings mal in Fahrt ist, dann macht er sogar überrasche­nd großen Spaß. Während der alte Italo-Ka auf Fiat-Basis nicht gerade ein Pulsbeschl­euniger war, nutzt der neue Ka+ schließlic­h die Architektu­r des Fiesta und fährt entspreche­nd knackig. Trotz des höheren Schwerpunk­ts schneidet er deshalb flott durch die Kurven, die direkter abgestimmt­e Lenkung hält sauber Kurs, und auch wenn das Fahrwerk vor allem auf Komfort und Kompromiss­e aus ist, fühlt man sich der Straße eng verbunden.

Genau wie bei der Abstimmung haben sich die Kölner auch bei der Akustik noch einmal besonders ins Zeug gelegt. Der Motor ist dichter gekapselt, mit vielen kleinen Tricks wie einem Windabweis­er am Spiegelfuß drücken sie die Fahrgeräus­che. Nachdem die Türen besser gedämmt und die Schlösser überarbeit­et wurden, machen sie jetzt beim schwungvol­len Schließen ein richtig sattes Geräusch. „Nur weil der Wagen wenig kostet, soll er schließlic­h nicht billig wirken“, rechtferti­gt Projektlei­ter Darrel Palmer den hohen Aufwand.

Eher praktisch als pfiffig – mit dem neuen Zuschnitt meldet Ford den Ka+ zwar aus der Lifestyle-Liga ab und beschränkt sich mit Blick auf den Preis auf das, was wirklich nötig ist. Die Wettbewerb­er heißen dann nicht mehr Mini, Smart oder Opel Adam, sondern Hyundai i10, Kia Rio oder Opel Karl. Doch haben es die Kölner deshalb noch lange nicht verlernt, wie man einen modischen Kleinen mit Flair und Finesse baut. Das wollen sie spätestens im Frühjahr beweisen, wenn der nächste Fiesta kommt: frisch, frech, vornehm – und auch wieder mit jeder Menge Firlefanz.

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FOTOS: FORD Noch halbwegs schnittig wirkt der Ford Ka+ von außen.
 ??  ?? Hartplasti­k dominiert das Interieur des Ka+.
Hartplasti­k dominiert das Interieur des Ka+.

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