Flotter Franzose mit Sinn auch fürs Praktische
Der Kompakt-Van Renault Scénic hebt sich wohltuend von den eher eintönigen Artgenossen ab – Dieselmotor mit 130 PS reicht aus
Très jolie – sehr hübsch – steht der neue Renault Scénic da – und ziemlich breitbeinig. Der in vierter Generation 2016 frisch aufgelegte Kompakt-Van wurde der Redaktion in markanter Zweifarb-Lackierung geliefert: schwarz-metallic das Dach, honiggelb die Karosserie. Der Kontrast macht sich gut. Jedenfalls tanzt der Franzose damit optisch aus der Reihe eher eintöniger Artgenossen vom Typ Opel Zafira, VW Touran oder Toyota Verso. Zu dem frischen Design passen die 20Zoll-Räder mit Felgen in PropellerOptik. Unter dem wohlgeformten Blech ist eine Menge Elektronik verbaut: viel Nützliches, aber auch einiges Überflüssige.
Très facile – sehr leicht: Den Schlüssel kann der Fahrer getrost in der Hosentasche lassen. Etwas dicker als eine Scheckkarte, besitzt das Ding weder Bart noch Reite, sondern einen funkenden Chip, der das Auto bei Annäherung aufweckt. Ein Feuerwerk an LEDs – vorne und hinten, an den Außenspiegeln und den Türgriffen – lässt es einem in dieser kalten Jahreszeit ganz weihnachtlich ums Herz werden. Nicht genug der elektronischen Begrüßungszeremonie: Beim Einsteigen ertönt ein Signal – von Renault Soundsignatur genannt –, der 8,7 Zoll große, hochformatige Touchscreen erwacht, und Lichtbänder in den Türen und in der Armaturentafel tauchen den Innenraum in ein schummriges Licht. So beeindruckend das Szenario ist, dem Chauffeur ist das alles zu viel und nicht ganz geheuer. Was tun, wenn sich Sender und Empfänger nicht mehr verstehen?
Très pratique – sehr benutzerfreundlich: Der Einstieg in den Renault Scénic verheißt Mobilität auf Augenhöhe mit den angesagten SUVs. Für Menschen, die nicht so tief fallen und gerne den Überblick behalten wollen, ist die Sitzposition ideal. Die Polsterung und der Seitenhalt des erhöhten Gestühls erweisen sich langstreckentauglich. Allein die optionale Massagefunktion ist für die Katz. Das Geknete am Rücken und an den Lenden nervt und lenkt ab.
Mit dem Ambiente im geräumigen Cockpit können wir uns gut arrangieren. Es ist übersichtlich und für Menschen, die sich vor keinem Menü auf dem berührungsempfindlichen Bildschirm scheuen, durchaus bedienerfreundlich. Drehregler gibt es nur noch für die Temperatur, sonst geht alles über Tasten und Touchscreen. Je nach Fahrmodus – Eco, Comfort, Sport, Neutral – wechselt die Hintergrundbeleuchtung der ausschließlich digitalen Instrumente von grün nach blau, rot oder sepia.
Hinter der weit nach vorne gezogenen Frontscheibe mit Seitenfenstern fühlt man sich wie in einem Hubschraubercockpit. Das Glas scheint nahtlos in die extrem kurze Motorhaube überzugehen. Fahrer und Beifahrer verfügen über üppig Platz. Passagiere im Fond müssen dagegen deutliche Abstriche hinnehmen. Trotz verschiebbarer Rückbank wird es für Erwachsene hinten eng und etwas schattig. Am Klappmechanismus für die hintere Sitzreihe (ein Drittel/zwei Drittel) haben sich die Renault-Ingenieure arg verkünstelt. Man kann die Sitze per Tastendruck im Gepäckabteil flachlegen, oder man erledigt das Ganze am Touchscreen. Nach drei bis vier Schritten erreicht man den entsprechenden Button, und mit einem Fingertipp klappt’s. Wer braucht denn so ein Gimmick? Aufrichten lassen sich die Lehnen schließlich auch nur händisch. Eine elektrische Heckklappe wäre praktischer.
An Verstaumöglichkeiten fehlt es dem Scénic nicht. Zu dem 506 Liter großen (1554 Liter bei umgeklappten Sitzen) Gepäckraum kommen 63 Liter Ablagen im Passagierraum. Statt eines normalen Handschuhfachs öffnet sich vor den Knien des Beifahrers eine geräumige Schublade, die sogar als Kühlschrank genutzt werden kann. Die Mittelkonsole lässt sich der Länge nach um 27 Zentimeter verschieben, sodass auch Passagiere im Fond Zugriff auf Staufächer, USBAnschlüsse und Strom haben. Dass die Getränkehalter nur im verschobenen Zustand frei werden, erweist sich als kleines Manko.
Très rapide – sehr flott: Der 1,6 Tonnen schwere Scénic Energy dCi 130 ist mit dem 130 PS starken, aufgeladenen Diesel ausreichend schnell zu bewegen. Dank des verlängerten Radstandes und der 20Zoll-Räder liegt der Kompakt-Van gut auf der Straße und nimmt Kurven ungerührt. Die Federung fühlt sich sportlich straff an. Querfugen machen sich unangenehm bemerkbar und verursachen jedes Mal ein Gepolter. Die elektrisch unterstützte Lenkung lässt den Kontakt zur Straße vermissen. Die sechs Gänge sind tadellos und präzise zu schalten. Allein die Schaltwege könnten kürzer und die Position des Ganghebels dürfte etwas näher beim Fahrer sein.
Mit 320 Newtonmetern verfügt der kleine Diesel über ein beachtliches Drehmoment, das sich aber nicht sehr harmonisch entwickelt. Wer aus dem Stand heraus flott vom Fleck kommen und den Motor nicht überdrehen will, muss ganz schnell kuppeln und schalten. Das kann beim Beschleunigen leicht in Hektik ausarten. Ein Automatikgetriebe würde die Arbeit erleichtern, ist bei dieser Motorisierung aber nicht zu haben. Renault bietet aktuell nur für zwei von sechs verfügbaren Motoren ein Doppelkupplungsgetriebe an. Der Verbrauch hält sich in der Testphase mit 6,2 Litern in Grenzen.
Mit Assistenzsystemen geizt Renault im Scénic nicht. Ein Notfallbremsassistent mit Fußgängererkennung ist serienmäßig an Bord. Auch wenn das Testfahrzeug in der höchsten Ausstattungsvariante Intens nicht die ganze Palette zu bieten hatte,
ist eine Armada dieser elektronischen Helfer zu haben, angefangen vom Head-up-Display über den adaptiven Tempomaten, den Parkund Spurhalteassistenten bis hin zum Müdigkeitswarner. Der Einstiegspreis von knapp 20 000 Euro lässt sich mit Automatikgetriebe, Voll-LED und Sonderausstattung ohne Weiteres verdoppeln.
Der praktische wie flotte Franzose dürfte aufgrund des gelungenen Auftritts seine Käufer finden. Eine Hybrid-Version und der um sieben Zentimeter längere Grand Scénic sollen 2017 nachgereicht werden.