Sparkassen erwarten maues Jahr
Niedrigzinsphase zehrt an den Erträgen – Wachstum bei Einlagen und Krediten
STUTTGART - Die 51 Sparkassen im Südwesten stellen sich wegen der historisch niedrigen Zinsen auf deutlich sinkende Gewinne ein. Das erklärte Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg, bei der Präsentation der Geschäftszahlen 2016 am Dienstag in Stuttgart. Der Rückgang im Zinsüberschuss, der für Sparkassen wichtigsten Ertragsquelle, werde sich 2017 beschleunigen, da die Institute die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) immer schlechter ausgleichen könnten. Der Banker erneuerte seine Kritik an der expansiven Geldpolitik der EZB: „Das bringt uns an den Bettelstab“, so Schneider.
Der Zinsüberschuss, also die Differenz aus dem Zinsaufwand für Kundeneinlagen und dem Zinsertrag aus vergebenen Krediten, steht für rund drei Viertel der Erträge der Sparkassen. Im vergangenen Jahr ging er um 3,2 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro zurück.
„Das bringt uns an den Bettelstab.“ Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg, über die Geldpolitik der EZB
Unter dem Strich hat sich diese Erosion im 2016er-Zahlenwerk jedoch noch nicht bemerkbar gemacht. Mit einem Jahresergebnis von 1,25 Milliarden Euro erwirtschafteten die Sparkassen im vergangenen Jahr einen um 152 Millionen Euro höheren Gewinn. Dies geschah aber nicht aus eigener operativer Kraft, sondern wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Auflösung eines Teils der Risikovorsorge. Für mögliche Kreditausfälle müssen Banken einen Puffer vorhalten. Da wegen der guten Wirtschaftslage aktuell die meisten Kreditnehmer ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen, musste ein Teil dieser Puffer aufgelöst und dem Ergebnis zugeschrieben werden. Dieser Effekt, so Schneider, komme im laufenden Jahr jedoch nicht mehr zum Tragen.
Historisch gesehen haben die Sparkassen in Baden-Württemberg zurzeit die niedrigste Risikovorsorge für Kreditausfälle – ein Zustand, den Schneider bedenklich findet: „Wir hätten gern größere Puffer, dürfen es aus steuerrechtlichen Gründen jedoch nicht.“Dabei gäbe es gerade jetzt eine Reihe von Unwägbarkeiten – die Situation in den USA oder die Wahlen in Europa als Beispiel – die die Konjunktur ins Straucheln bringen könnten.
Rekorde im Kundengeschäft
Die solide Verfassung der Sparkassen-Gruppe dürfte auch der Hauptgrund für das Wachstum im Kundengeschäft gewesen sein. Zwar gibt es seit geraumer Zeit kaum mehr Zinsen auf Einlagen wie Sparbücher oder Tagesgeldkonten. Dennoch haben Privat- und Firmenkunden im vergangenen Jahr deutlich mehr Geld zu den Sparkassen getragen als 2015. Um 3,8 Prozent auf 130,2 Milliarden Euro stiegen die Kundeneinlagen an. „Die Zahlen spiegeln das Vertrauen der Kunden in die Sparkassen wider. Wir sind ein Hort der Sicherheit“, sagte Schneider.
Auch die weitgehende Absage an Negativzinsen hätte dafür gesorgt, dass die Kunden ihre Gelder bei den Sparkassen anlegen. Lediglich bei großen Summen, insbesondere von Firmenkunden, erheben die Sparkassen inzwischen sogenannte Verwahrentgelte. Im breiten Privatkundengeschäft wolle man das so lange wie irgend möglich verhindern, so Schneider. „Wir heißen Sparkasse und nicht Entreicherungskasse.“
Im Kreditgeschäft stieg das Volumen ausgereichter Darlehen um 4,5 Prozent auf 118,7 Milliarden Euro. Schneider sprach von einer „spektakulären Entwicklung“– vor allem bei den Kreditzusagen an Unternehmen und Selbstständige. Diese Zahlen würden die gute Verfassung und Dynamik der Wirtschaft in BadenWürttemberg widerspiegeln. Rückgänge verzeichneten die Sparkassen bei Immobilienkrediten an Privatpersonen. Diese brachen um sieben Prozent auf 8,9 Milliarden Euro ein. Schneider führte das auf die Ende März 2016 in Kraft getretene Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie zurück, die die Institute seiner Organisation im Gegensatz zum Wettbewerb restriktiver ausgelegt hätten.
Wie es angesichts schrumpfender Zinsüberschüsse weitergeht, vermochte der Verbandspräsident nicht zu sagen. „Sie begegnen mir an diesem Punkt ratlos. Die Niedrigzinspolitik wird das Bankgewerbe auszehren.“Anziehende Gebühren – etwa für die Kontoführung oder für Wertpapiertransaktionen – würden die Verluste nicht annähernd ausgleichen. Verbandsgeschäftsführer Joachim Herrmann bestätigte, dass „eine ganze Reihe“der Sparkassen im Südwesten Gebühren erhöht haben. Doch verhindert der intensive Wettbewerb ein allzu forsches Vorgehen. „Wenn jemand an der Gebührenschraube dreht, dann stößt das auf heftigsten Widerstand der Kunden“, sagte Herrmann. Den Sparkassen wird nichts anderes übrig bleiben, als weiter die Kosten zu senken.
Im Vergleich zur Konkurrenz stünden die Sparkassen aber gut da. „Mich tröstet, dass alle anderen Wettbewerber in dem Zug weiter vorne sitzen, der auf die Mauer zu rauscht.“Man sitze „gut gepolstert im letzten Waggon“.