Lindauer Zeitung

Seehofer ärgert sicht über CSU-Fraktion

Disput über eine Änderung des Wahlrechts zeigt Missstimmu­ng in der Regierungs­partei

- Von Marco Hadem

MÜNCHEN (lby) - In der mächtigen CSU-Landtagsfr­aktion treten gerade viele Spannungen mit der Staatsregi­erung zu Tage. Zum ungelösten Streit mit Ministerpr­äsident Horst Seehofer um die Zukunft des Abiturs droht nun bei der Frage des Kommunalwa­hlrechts gar die Eskalation im Machtkampf.

Wenn ein eigentlich dröges Thema wie die Reform des Wahlrechts einen offen Machtkampf in der CSU zutage bringt, liegt hinter den Kulissen wohl schon lange viel mehr im Argen. Der Streit um die Auszählfor­m bei Kommunalwa­hlen zeigt aber noch mehr: Das Verhältnis zwischen der CSU-Herzkammer, wie sich die 101-köpfige Landtagsfr­aktion selbst nennt, und der von ihr getragenen Staatsregi­erung um Ministerpr­äsident Seehofer ist schlecht wie lange nicht.

Vorläufige­r Höhepunkt ist am Dienstag im Landtag ein hörbar verärgerte­r CSU-Chef, der seinen eigenen Leuten eine verantwort­ungslose Politik nur zum eigenen Vorteil vorwirft – eine Arroganz der Macht, wenn man so will.

Seehofers Kritik geht sogar noch weiter. Die von der Fraktion vorangebra­chte und von ihm abgelehnte Reform des Wahlrechts, konkret die Abkehr von dem 2010 beschlosse­nen Auszählung­sverfahren, gefährde den Erfolg der gesamten Union im Superwahlj­ahr 2017. Denn anders als die Fraktion wisse er genau, welche Folgen ein solches Handeln für die CSU hätte: „Wir würden massiv Vertrauen entzogen bekommen. Wir sind in den letzten Monaten vor der Bundestags­wahl, wer dafür die Verantwort­ung übernehmen will, soll sie übernehmen. Ich tue es jedenfalls nicht.“

Nachteil für kleine Parteien

Um diese Kritik zu verstehen, muss man wissen, dass der Antrag der CSU-Fraktion das Ziel hat, dass künftig nicht mehr nach dem heute fast überall gängigen Hare-NiemeyerVe­rfahren ausgezählt wird, sondern nach dem D’Hondt’schen Höchstzahl­verfahren. Dadurch würden künftig Aufrundung­en bei der Sitzvergab­e zugunsten der kleinen Parteien entfallen. Es gilt als überholt und wird heute fast nirgendwo in Deutschlan­d mehr angewandt: nach einer Übersicht der Experten der Internetse­ite Wahlrecht.de nur noch im Saarland und in Sachsen.

Für Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer erklärt sich der aktuelle Bedarf aber in der Arbeitsfäh­igkeit der Kommunalpa­rlamente. Ohne eine Reform drohten dort nach der Kommunalwa­hl 2020 zahllose Splitterpa­rteien Sitze zu erhalten. „Aus meiner Sicht spricht das stark für eine Reform“, sagt er. Zudem sei der Vorwurf Seehofers falsch, dass nur die CSU davon profitiere, vielmehr gelte dies auch für andere Parteien, etwa SPD und Freie Wähler. Um den Streit zu deeskalier­en, werde es aber nach der Einbringun­g in den Innenaussc­huss wohl erst noch eine Anhörung geben, bei der auch mit Seehofer gesprochen werde.

Seehofer selbst hat an diesem Tag weniger versöhnlic­he Töne parat: Die CSU-Landtagsfr­aktion gefährde mit diesem Vorhaben den Erfolg der CSU bei der Bundestags­wahl dermaßen, dass ihn dies nervöser mache als etwa das Umfragehoc­h der SPD um deren Kanzlerkan­didat Martin Schulz: „Weil wir zu viele Themen der Kontrovers­e haben. Das geht von G 8/G 9 über Nationalpa­rks, Riedberger Horn bis zum Punkt jetzt“, schimpft er.

Unverständ­nis bei Abgeordnet­en

Bei den Befürworte­rn in der CSUFraktio­n stößt Seehofers Poltern auf Unverständ­nis und Schulterzu­cken, viele, darunter auch Kreuzer, erklären, dass Seehofer im vergangene­n Sommer den nun torpediert­en Beschluss sogar selbst mitgetrage­n habe. Außerdem gehe das ganze Vorgehen auf Parteitags­beschlüsse von 2013 und 2015 zurück, in dem die Fraktion aufgeforde­rt worden sei, das Wahlrecht zu überprüfen. „In der Fraktion gibt es aufgrund der inhaltlich­en Argumente eine überwiegen­de Mehrheit, die dafür ist“, sagt Hans Reichhart, Landtagsab­geordneter und Chef der Jungen Union Bayern.

Diskussion für beendet erklärt

Keine leichte Situation für die Fraktion, die ansonsten so gerne applaudier­t, wenn Seehofer über seinen „Dickschäde­l“spricht, weil er sich gegen Mehrheiten durchsetze­n konnte. Diesmal könnte dieser Schuss für die Fraktion aber nach hinten losgehen, denn Seehofer spielt mit hohem Einsatz: „Das ist ein Verspreche­n von mir, ein Politiksti­l von mir“, sagt er und meint damit den Umgang mit kleinen Parteien.

Die Diskussion sei für ihn damit auch erst einmal beendet: „Wir sind kein Kindergart­en.“Denkbar sei für ihn aber sehr wohl, dass das Gesetz am Ende sogar gegen die Staatsregi­erung von der Fraktion beschlosse­n werde. Ein parlamenta­risches Novum – wohl nicht nur in Bayern.

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FOTO: DPA Ministerpr­äsident Horst Seehofer am Dienstag im Landtag: Der CSU-Chef warf seiner eigenen Landtagsfr­aktion vor, bei der Reform des Wahlrechts nur auf den eigenen Vorteil zu schielen.

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