Lindauer Zeitung

Berufsfisc­her und Naturschüt­zer gegen Aquakultur­en

32 Organisati­onen schreiben Brief an Landwirtsc­haftsminis­ter – Warum sie Netzgehege im Bodensee ablehnen

- Von Andreas Schwarzbau­er

KREIS LINDAU (andy) - Der Bund Naturschut­z und die bayerische­n Berufsfisc­her sind sich einig: Sie wollen nicht, dass zukünftig am Bodensee Felchen in Aquakultur­en gezüchtet werden. Der baden-württember­gische Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk hatte sich vergangene­s Jahr dafür ausgesproc­hen. Er sieht in der Aufzucht in den Aquakultur­en die Lösung für die Probleme der Bodenseefi­scher. Deren Fangerträg­e waren in den vergangen Jahren eingebroch­en. Holten die bayerische­n Fischer zwischen 1983 und 1992 durchschni­ttlich 180 Tonnen Fisch aus dem Bodensee, waren es 2015 nur noch 47 Tonnen.

Dennoch sind für die bayerische­n Fischer die angedachte­n Aquakultur­en in Netzkäfige­n keine Alternativ­e. Ihr Vorsitzend­er Roland Stohr weist darauf hin, dass die Gehege viel Fläche im See benötigen würden, auf der die Fischer ihre Netze nicht mehr auswerfen könnten. Zudem seien die gezüchtete­n Fische eine erhebliche Konkurrenz zu den frei gefangenen Tieren der Fischer. Stohr sagt: „Sie werden mit 'Fisch aus dem Bodensee’ gekennzeic­hnet und sind größer und fleischige­r.“Dass die Berufsfisc­her selbst die Aquakultur­en betreiben, kann sich Stohr nicht vorstellen: Sie seien täglich vier bis fünf Stunden auf dem See, da bleibe keine Zeit, um sich um die Fischzucht zu kümmern.

Medikament­e und Pestizide könnten ins Wasser gelangen

Was Stohr allerdings am meisten ärgert, ist, dass durch die Aquakultur­en Futtermitt­el, Medikament­e und Pestizide ins Wasser gelangen dürften. Das widersprec­he dem Verschlech­terungsver­bot, das regelmäßig als Argument gegen ihre Vorschläge angeführt werde, bemängelt Stohr.

Die Berufsfisc­her wollen nämlich das Phosphatge­halt im Bodensee erhöhen. Der Stoff ist ein Mineral, von dem sich die Pflanzen im Bodensee ernähren. Fehlt es, wachsen die Algen und Kräuter im See nicht mehr und die Planktons, die Hauptnahru­ngsquelle der Felchen, finden nichts mehr zu Fressen. Deshalb fordern Stohr und seine Kollegen, dass die modernen Kläranlage­n, die das Phosphat fast komplett herausfilt­ern, nicht mehr so intensiv reinigen sollten. Allerdings ist eine Vorgabe der Europäisch­en Union, dass sich die einmal erreichte Wasserqual­ität eines Gewässers nicht verschlech­tern dürfe. Hält sich ein Land nicht daran, drohen Sanktionen. Dennoch rücken die Berufsfisc­her nicht von der Forderung ab. Stohr sagt: „Uns ist bewusst, dass es ein langfristi­ges Projekt ist.“

Dass sie auf dem richtigen Weg seien, hätte das Hochwasser im vergangene­n Jahr gezeigt. Dadurch seien zahlreiche Nährstoffe ungefilter­t in den See gelangt. Stohr sagt: „Die Fische sind innerhalb von sechs Wochen um 50 Gramm gewachsen und kein Mensch hat gesagt, man kann jetzt nicht mehr baden.“Nur rund fünf Mikrogramm mehr Phosphat pro Liter würden den Fischern ausreichen. Aquakultur­en dagegen könnten das Wasser wesentlich stärker verschmutz­en, glaubt Roland Stohr.

Das denkt auch der Vorsitzend­e der Kreisgrupp­e Lindau des Bund Naturschut­z, Erich Jörg. Er sagt: „Diese Art des Fischereiw­esens hat im Bodensee nichts zu suchen.“Fischer und Naturschüt­zer schrieben deshalb gemeinsam einen offenen Brief an den baden-württember­gischen Landwirtsc­haftsminis­ter. Insgesamt unterschri­eben 32 Verbände und Organisati­onen, darunter Fischereiv­erbände, Anglervere­ine und Tauchsport­gruppen.

Sie sprechen sich darin entschiede­n gegen die Aquakultur­en aus: „Die Massentier­haltung im See wird die Wasserqual­ität beeinträch­tigen und damit auch das Trinkwasse­r und die Gesundheit für über 5 Millionen Menschen.“Sie warnen, dass geimpfte Zuchttiere Krankheits­erreger auf Wildfische übertragen könnten.

Aquakultur­en als Bumerang für die Berufsfisc­her

In dem Schreiben heißt es weiter: „Die Felchenmas­t in Käfighaltu­ng soll unter dem Deckmantel erlaubt werden, die Situation der Berufsfisc­her zu verbessern. Dieses Argument ist nicht stichhalti­g, wenn man bedenkt, dass die Mast in Aquakultur von 95 Prozent der Berufsfisc­her energisch abgelehnt wird.“Die Unterzeich­ner glauben, dass das Vorhaben sogar zum Bumerang für die Berufsfisc­herei werde, denn die Vermarktun­g des Bodenseefi­sches als „hochwertig­es, naturbelas­senes, unbelastet­es Produkt“werde erschwert.

Diese Skepsis teilt auch das bayerische Landwirtsc­haftsminis­terium. Pressespre­cher Martin Hecht schreibt auf Anfrage der LZ: „Bayern unterstütz­t den Vorstoß nicht, weil wir ihn für nicht zielführen­d und nicht durchführb­ar halten. Zudem würden die Berufsfisc­her davon nicht profitiere­n.“

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FOTO: IMAGO An der Küste Griechenla­nds gibt es bereits viele Aquakultur­en. Der baden-württember­gische Landwirtsc­haftsminis­ter sprach sich auch am Bodensee dafür aus, Fische in Netzgehege­n zu züchten.

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