Berufsfischer und Naturschützer gegen Aquakulturen
32 Organisationen schreiben Brief an Landwirtschaftsminister – Warum sie Netzgehege im Bodensee ablehnen
KREIS LINDAU (andy) - Der Bund Naturschutz und die bayerischen Berufsfischer sind sich einig: Sie wollen nicht, dass zukünftig am Bodensee Felchen in Aquakulturen gezüchtet werden. Der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk hatte sich vergangenes Jahr dafür ausgesprochen. Er sieht in der Aufzucht in den Aquakulturen die Lösung für die Probleme der Bodenseefischer. Deren Fangerträge waren in den vergangen Jahren eingebrochen. Holten die bayerischen Fischer zwischen 1983 und 1992 durchschnittlich 180 Tonnen Fisch aus dem Bodensee, waren es 2015 nur noch 47 Tonnen.
Dennoch sind für die bayerischen Fischer die angedachten Aquakulturen in Netzkäfigen keine Alternative. Ihr Vorsitzender Roland Stohr weist darauf hin, dass die Gehege viel Fläche im See benötigen würden, auf der die Fischer ihre Netze nicht mehr auswerfen könnten. Zudem seien die gezüchteten Fische eine erhebliche Konkurrenz zu den frei gefangenen Tieren der Fischer. Stohr sagt: „Sie werden mit 'Fisch aus dem Bodensee’ gekennzeichnet und sind größer und fleischiger.“Dass die Berufsfischer selbst die Aquakulturen betreiben, kann sich Stohr nicht vorstellen: Sie seien täglich vier bis fünf Stunden auf dem See, da bleibe keine Zeit, um sich um die Fischzucht zu kümmern.
Medikamente und Pestizide könnten ins Wasser gelangen
Was Stohr allerdings am meisten ärgert, ist, dass durch die Aquakulturen Futtermittel, Medikamente und Pestizide ins Wasser gelangen dürften. Das widerspreche dem Verschlechterungsverbot, das regelmäßig als Argument gegen ihre Vorschläge angeführt werde, bemängelt Stohr.
Die Berufsfischer wollen nämlich das Phosphatgehalt im Bodensee erhöhen. Der Stoff ist ein Mineral, von dem sich die Pflanzen im Bodensee ernähren. Fehlt es, wachsen die Algen und Kräuter im See nicht mehr und die Planktons, die Hauptnahrungsquelle der Felchen, finden nichts mehr zu Fressen. Deshalb fordern Stohr und seine Kollegen, dass die modernen Kläranlagen, die das Phosphat fast komplett herausfiltern, nicht mehr so intensiv reinigen sollten. Allerdings ist eine Vorgabe der Europäischen Union, dass sich die einmal erreichte Wasserqualität eines Gewässers nicht verschlechtern dürfe. Hält sich ein Land nicht daran, drohen Sanktionen. Dennoch rücken die Berufsfischer nicht von der Forderung ab. Stohr sagt: „Uns ist bewusst, dass es ein langfristiges Projekt ist.“
Dass sie auf dem richtigen Weg seien, hätte das Hochwasser im vergangenen Jahr gezeigt. Dadurch seien zahlreiche Nährstoffe ungefiltert in den See gelangt. Stohr sagt: „Die Fische sind innerhalb von sechs Wochen um 50 Gramm gewachsen und kein Mensch hat gesagt, man kann jetzt nicht mehr baden.“Nur rund fünf Mikrogramm mehr Phosphat pro Liter würden den Fischern ausreichen. Aquakulturen dagegen könnten das Wasser wesentlich stärker verschmutzen, glaubt Roland Stohr.
Das denkt auch der Vorsitzende der Kreisgruppe Lindau des Bund Naturschutz, Erich Jörg. Er sagt: „Diese Art des Fischereiwesens hat im Bodensee nichts zu suchen.“Fischer und Naturschützer schrieben deshalb gemeinsam einen offenen Brief an den baden-württembergischen Landwirtschaftsminister. Insgesamt unterschrieben 32 Verbände und Organisationen, darunter Fischereiverbände, Anglervereine und Tauchsportgruppen.
Sie sprechen sich darin entschieden gegen die Aquakulturen aus: „Die Massentierhaltung im See wird die Wasserqualität beeinträchtigen und damit auch das Trinkwasser und die Gesundheit für über 5 Millionen Menschen.“Sie warnen, dass geimpfte Zuchttiere Krankheitserreger auf Wildfische übertragen könnten.
Aquakulturen als Bumerang für die Berufsfischer
In dem Schreiben heißt es weiter: „Die Felchenmast in Käfighaltung soll unter dem Deckmantel erlaubt werden, die Situation der Berufsfischer zu verbessern. Dieses Argument ist nicht stichhaltig, wenn man bedenkt, dass die Mast in Aquakultur von 95 Prozent der Berufsfischer energisch abgelehnt wird.“Die Unterzeichner glauben, dass das Vorhaben sogar zum Bumerang für die Berufsfischerei werde, denn die Vermarktung des Bodenseefisches als „hochwertiges, naturbelassenes, unbelastetes Produkt“werde erschwert.
Diese Skepsis teilt auch das bayerische Landwirtschaftsministerium. Pressesprecher Martin Hecht schreibt auf Anfrage der LZ: „Bayern unterstützt den Vorstoß nicht, weil wir ihn für nicht zielführend und nicht durchführbar halten. Zudem würden die Berufsfischer davon nicht profitieren.“