Draußen bei Wind und Wetter
Moritz Nieß tritt in die Fußstapfen seines Vaters und zieht mit 400 Schafen durch die Lande
LANGNAU/ACHBERG - Es „määht“in den verschiedensten Tonlagen auf der von Wäldern umsäumten Wiese, irgendwo zwischen Dentenweiler und Achberg. Rund 400 Schafe streifen durchs regennasse Gras, auch zahlreiche Lämmchen sind mit dabei. Am Rand steht Moritz Nieß, eine Hand auf seinen metallenen Schäferhaken gestützt, und beobachtet mit prüfendem Blick die grasende Herde, während der schwarze Schäferhund „Rex“freudig mit dem Schwanz wedelnd neben ihm sitzt.
Seit dem ersten Januar, als er in seiner Heimat Langenau bei Ulm startete, ist Moritz Nieß mit seinen Tieren unterwegs. Der 19-Jährige ist Schäfer im dritten Lehrjahr – ein Beruf, der heutzutage nicht mehr allzu verbreitet ist und nicht jedermann liegt. „Man muss naturverbunden sein, ist die meiste Zeit draußen und hat wenig Freizeit – das muss man schon wollen“, erklärt der junge Mann. Wie in anderen Ausbildungsberufen auch, steht er nicht tagtäglich auf der Wiese und hütet Schafe, sondern muss auch theoretisches Wissen in der Berufsschule pauken. Bei der Abschlussprüfung gilt es dann nicht nur eine praktische Prüfung mit einer fremden Schafherde zu meistern, sondern sich beispielsweise auch im Klauenschneiden oder bei der Tierbewertung zu beweisen.
Doch bis April geht es nun erst einmal noch quer durch Oberschwaben – in den nächsten Tagen will Moritz Nieß mit der Herde an der Argen entlang in Richtung Langnau und Tettnang wandern. Schon sein Vater Erwin Nieß war Schäfer und zog mit seiner Herde jedes Jahr durchs Tettnanger Hinterland, wo er deshalb auch wohlbekannt war. Nachdem dieser vor vier Jahren überraschend starb, entschloss sich sein Sohn Moritz, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Zwischen 9 und 10 Uhr morgens kommt der Jungschäfer zu seiner Herde, die über Nacht in einem Elektrozaun eingepfercht wird. Je nach Futterangebot zieht er mit seinen 400 Tieren maximal fünf bis zehn Kilometer weit pro Tag. Während er nachts entweder bei Bekannten übernachtet oder ein- bis zweimal pro Woche nach Hause fährt, muss er tagsüber durchgehend bei den Schafen bleiben. Auch wenn es an Regentagen auf dem Sofa sicher gemütlicher wäre, wie er gesteht, mache ihm der Beruf Spaß: „Man ist immer auf Achse und sein eigener Chef.“
Lämmer müssen zum Schlachter
Den Sommer verbringen die Schafe wieder in der Ulmer Heimat in einem Naturschutzgebiet – fest in einem Stall sind sie nie. Immer mit dabei, wenn Nieß im Frühjahr mit den Schafen durch die Bodenseeregion zieht, sind seine beiden Hunde, die auf Kommando die Herde zusammentreiben. Ein kurzer Pfiff genügt, und „Rex“spurtet los, um die Schafe wieder in eine andere Richtung zu lenken, als diese sich immer weiter in Richtung Wald bewegen. „Man muss schon immer ein Auge drauf haben“, sagt der 19-Jährige. Kennt er denn jedes einzelne Schaf persönlich? „Man hat schon seine Lieblingstiere, andere kennt man sozusagen nur im Vorbeigehen“, erklärt er.
Auf der einen Seite entwickle er schon eine Bindung zu den Tieren, mit denen er tagtäglich so viele Stunden verbringt – auf der anderen Seite hält er die Merinoschafe nicht zum Spaß: Die männlichen sowie ein Teil der weiblichen Lämmer, die man nicht zur Nachzucht gebrauchen könne, kommen zum Metzger, erklärt der Schäfer und macht keinen Hehl daraus, dass ihm das nicht immer leicht falle. „Aber es geht halt nicht anders.“Auch werden die Tiere einmal im Jahr geschoren, die Wolle verkauft Nieß an einen Händler, der sie zu Merinowolle verarbeitet.